Die Wurzel der Gesamtproblematik liegt darin, dass die nach dem Wortlaut des § 1408 BGB unbeschränkte Ehevertragsfreiheit in deutlichem Spannungsverhältnis zu Sinn und Zweck des Zugewinnausgleichs[1] steht: Über die ratio des Halbteilungsgrundsatzes ist viel gestritten worden.[2] Der Reformgesetzgeber beurteilt ihn jedoch als bewährt und im allgemeinen Rechtsbewusstsein verankert. Er führt ihn in der Gesetzesbegründung auf "die Vermutung" zurück, dass beide Ehegatten einen gleichen Beitrag zu dem in der Ehe Erwirtschafteten geleistet hätten. Diese Vermutung entspreche dem Charakter der Ehe als einer von Gleichberechtigung geprägten Gemeinschaft. Sie orientiere sich zunächst an der Ehe mit unterschiedlicher Aufgabenverteilung, in der der Ehegatte, der selbst nicht oder in eingeschränktem Maße beruflich tätig war, dem anderen jedoch die volle Teilhabe am Berufsleben ermöglicht hat. Sie trage aber auch dem Umstand Rechnung, dass die Vermögensmehrung in der Ehe neben der Aufgabenteilung bei Erwerb und Haushalt von zahlreichen weiteren Faktoren abhängen könne wie der Wirtschaftlichkeit von Anschaffungen, der Bereitschaft zum Konsumverzicht oder der Geschicklichkeit bei Geldanlagen. Aus diesem Grund sei die Halbteilung auch bei Doppelverdiener- und Zuverdiener-Ehen grundsätzlich sachgerecht.[3] Der stark schematisierende und typisierende Ansatz gewährleiste Praxistauglichkeit und Rechtssicherheit.[4] Der Gesetzgeber erklärt damit den Zugewinn der Sache nach als Angebot einer bewährten Modellregelung, die die Ehepartner von aufwändigem Nachdenken über zukünftige Eventualitäten entlastet, von der sie aber auch nach ihren individuellen Bedürfnissen abweichen können. Die Ehevertragsfreiheit gem. § 1408 BGB legitimiert der Gesetzgeber ausdrücklich damit, dass es sachgerecht sei, die vielfältigen Konstellationen in der Doppelverdiener-Ehe durch Ehevertrag zu regeln, insbesondere, wenn beide Ehegatten gemeinsam unternehmerisch tätig seien.[5] Nicht ausdrücklich angesprochen wird dagegen die Frage, ob eine umfassende Ehevertragsfreiheit auch für die arbeitsteilig organisierte Einverdiener-Ehe, das sog. Ernährermodell im Gegensatz zum adult-worker-Modell, sinnvoll ist. Genau hier liegt aber das Problem. In der Einverdiener-Ehe bietet der Zugewinnausgleich über eine Teilhabe hinaus vor allem auch einen Ausgleich für den Verzicht des für die Familienarbeit zuständigen Ehepartners auf eigene Einkommens- und Vermögensbildungschancen; der Zugewinnausgleich entfaltet hier also auch Schutzfunktion.[6]

[1] Dazu umfassend auch aus historischer Sicht Meder(Fn 1), 9 ff.
[2] Siehe den Überblick über die Argumentationsmodelle bei Dethloff, Unterhalt, Zugewinn, Versorgungsausgleich – Sind unsere familienrechtlichen Ausgleichssysteme noch zeitgemäß?, Gutachten A zum 67. Deutschen Juristentag, Erfurt 2008, A87 ff.; eher zweifelhaft erscheint, ob sich die Zugewinngemeinschaft als "europäisches Modell" behaupten kann; siehe dazu etwa Meder (Fn 1), insbesondere 60 ff.; Rauscher, Technische Reform der Zugewinngemeinschaft – Zu kurz gegriffen, Bayer/Koch (Hrsg.), Aktuelle Fragen des Familienrechts, 2009, S. 9; Röthel, FPR 2009, 273; Dethloff, ZEuP 2007, 992; dies., AcP 204 (2004), 544; vgl. auch die Beiträge des Tagungsbandes Lipp/Schumann/Veit (Hrsg.), Die Zugewinngemeinschaft – Ein europäisches Modell, 2008, namentlich Brudermüller, Zugewinngemeinschaft: Struktur und Reform, S. 3; Pintens, Ehegüterstände in Europa, S. 23; Martiny, Europäisches Güterrecht? Die Arbeit des CESL, S. 39; Röthel, Die Zugewinngemeinschaft als Europäisches Modell?, S. 57; zu den Grundlinien eines modernen Familienrechts aus rechtsvergleichender Sicht Schwenzer, RabelsZ 2007, 705.
[3] BT-Drucks 16/10798, S. 10; ebenso Dethloff, Gutachten (Fn 33), A90 f.
[4] BT-Drucks 16/10798, S. 10 re. Sp.
[5] BT-Drucks 16/10798, S. 11.
[6] Zum gesetzlichen Scheidungsfolgensystem als Schutzsystem für das Ernährermodell siehe bereits ausführlich Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 296, 312 ff.; auch aus historischer Sicht nunmehr Meder (Fn 1), 11 ff.

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