1. Allgemeines

Zu den bedeutsamsten Verbesserungen des FamFG gehören sicherlich die Konkretisierung und der Ausbau der Institution des Verfahrenspflegers für das Kind (§ 50 FGG a.F.), der künftig "Verfahrensbeistand" heißen soll. Nicht von allen Seiten der an einem kindschaftsrechtlichen Verfahren Beteiligten wird der Verfahrensbeistand freudig begrüßt – die Eltern betrachten ihn als Eingriff in ihre Vertretungskompetenz, andere Verfahrensbeteiligte wie das Jugendamt oder Sachverständige als Konkurrenten im kindeswohlorientierten Fallmanagement, die Bundesländer als Belastung für die Justizhaushalte. Dieser Interessenvertreter spezifisch für das Kind ist dem deutschen Gesetzgeber jedoch völkerrechtlich (Art. 9 Europäisches Kinderrechteübereinkommen) und verfassungsrechtlich vorgegeben, wie das BVerfG in zahlreichen Entscheidungen betont hat,[85] und erste rechtstatsächliche Untersuchungen belegen, dass das Wirken der bisherigen Verfahrenspfleger sowohl von den Familienrichtern wie auch von den Kindern selbst außerordentlich positiv eingeschätzt wird.[86]

Die bisherige Regelung in § 50 FGG hatte Pioniercharakter, war aber durch Unklarheiten und Lücken gekennzeichnet. Erhebliche Unsicherheiten und Meinungsverschiedenheiten über ihre Bedeutung und Handhabung prägten deshalb Praxis und wissenschaftliche Diskussion.[87] Die neue Regelung in § 158 klärt einige der Streitfragen und baut die Institution weiter aus, kann aber ihrerseits nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zu einer rundum befriedigenden Regelung sein.[88] Die folgende Darstellung muss sich aus Raumgründen auf einen Überblick über die wesentlichen Neuerungen beschränken.

[85] Vgl. nur NJW 1986, 3129.
[86] Vgl. Rabe, ZKJ 2007, 437 (Projekt Münder); Stölzel/Fegert, KindPrax 2005, 53 ff.; Salgo, ZKJ 2009, 49 ff.
[87] Für die Praxis Engelhardt, FamRZ 2001, 525 ff.; für die Wissenschaft Salgo (Fn 4) Rn 11 ff.
[88] Salgo, FPR 2006, 12; Willutzki, KindPrax 2004, 197, 200.

2. Bestellung des Verfahrensbeistands

§ 158 Abs. 1 stellt klar, dass eine Pflicht zur Bestellung eines Verfahrensbeistands besteht[89] – eine Pflicht, die allerdings die richterliche Einschätzung voraussetzt, dass ein Verfahrensbeistand zur Wahrung der Kindesinteressen erforderlich ist.[90] Dieses Kriterium wird durch die Regelfälle des Abs. 2 beispielhaft, aber nicht abschließend verdeutlicht;[91] abstrakte Definitionsversuche sind auch wenig hilfreich.[92]

Als Beispiel fehlender Erforderlichkeit übernimmt § 158 Abs. 5 die Vorschrift des § 50 Abs. 3 FGG a.F., wo von einer "angemessenen" Vertretung der Kindesinteressen durch einen Rechtsanwalt oder sonstigen Verfahrensvertreter die Rede war. Diese Anlehnung an das Betreuungsrecht (§ 276 Abs. 4 FamFG) ist nicht nur, wie Salgo sagt,[93] überflüssig, sondern sogar verfehlt. Ein Verfahrensbeistand ist, wie aus § 158 Abs. 4 zu entnehmen ist, auch dem Kindeswohl verpflichtet; ein Rechtsanwalt ist konzeptionell Willensvertreter, und wessen Willen er bei Beauftragung und Bezahlung durch die Eltern vertritt, ist doch zumindest zweifelhaft.[94]

Die Bestellung hat, wie § 158 Abs. 3 S. 1 jetzt (im Gegensatz noch zum Referentenentwurf 2006) strikt anordnet, "so früh wie möglich" zu erfolgen.[95] Damit wird ein Petitum des BVerfG umgesetzt, das eine effektive Einflussnahmemöglichkeit des Verfahrensbeistands auf das Verfahren fordert.[96]

Die Entscheidung über die Bestellung ist unanfechtbar, § 158 Abs. 3 S. 4 – eine Klarstellung, die angesichts betonter Opposition durch einen Teil der Rechtsprechung notwendig war.[97] Dabei verwies man auf den angeblich in einer Pflegerbestellung liegenden Eingriff in das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 s. 1 GG. Das FamFG nimmt dem Konflikt dadurch seine Brisanz, dass der Verfahrensbeistand ausdrücklich "nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes" ist (§ 158 Abs. 4 S. 6) – als "Interessenvertreter" steht er neben den Eltern, verdrängt sie aber nicht.[98]

Konsequenterweise gibt es auch kein personenbezogenes "Ablehnungsrecht" der Eltern.[99]

Die Unanfechtbarkeit stellt sicher, dass die Beistandsbestellung nicht zu einem Bremsfaktor im Bemühen um Verfahrensbeschleunigung wird.[100]

[89] So bisher schon die Literatur, Keidel/Kuntze/Winkler/Engelhardt, § 50 FGG Rn 33; Salgo, FPR 2006, 12 f.
[90] Entwurfsbegründung BT-Drucks 16/6308 S. 238.
[91] Entwurfsbegründung a.a.O.
[92] Viel zu eng Gummersbach, Die Subjektstellung des Kindes (2005), S. 154 f.: zu fordern sei eine "drohende, wahrscheinliche Schädigung des Kindes ohne separate Vertretung"; die konkrete Möglichkeit nicht kindeswohlgerechter Vertretung durch die Eltern muss genügen.
[93] FPR 2006, 12, 16.
[94] Krit. auch KIRK (Fn 30), Stellungnahme 2006 und 2008 (unveröff.); Gummersbach a.a.O. S. 225. Zur Vertretung des Kindes im Adoptionsverfahren durch das Jugendamt als Vormund siehe OLG Stuttgart FamRZ 2005, 542, 543.
[95] Anders zu § 50 FGG BT-Drucks 13/4899, S. 131: "Zeitpunkt bleibt offen"; Referentenentwurf 2006 § 166 Abs. 3 S. 1: "soll".
[96] BVerfG, Beschl. v. 26.8.1999 – BvR 1403/99 –, zit. nach Salgo, FPR 2006, 12, 14.
[97] Nachweise bei Sa...

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