Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht

Die Veranstaltung der AG Familienrecht – moderiert von Rechtsanwalt Dr. Grandel, Augsburg, Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht, – wurde von Prof. Dr. Dr. h. c. Gerd Brudermüller, Vorsitzender Richter am OLG Karlsruhe, Vorsitzender des Familiengerichtstages, mit dem Vortrag "Anspruch auf gleiche Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten und die Rechtsprechung des BGH zu den wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen" eröffnet. In seiner kritischen Auseinandersetzung mit der neuen Rechtsprechung des BGH (FamRZ 2009, 23) warf er die Frage auf, ob der Halbteilungsgrundsatz aus juristischer oder rechtsethischer Sicht überhaupt berechtigt ist und die neue Rechtsprechung zu den ehelichen Lebensverhältnissen rechtfertigen kann. Nach einem kurzen Überblick über die Entwicklung der BGH-Rechtsprechung zu den ehelichen Lebensverhältnissen wies er nach, dass der Halbteilungsgrundsatz weder aus dem Gesetz, noch aus rechtsethischen Grundsätzen zwingend folge, und kam zu dem Schluss, der Halbteilungsgrundsatz habe bei der Bemessung des Bedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen nichts zu suchen. Der BGH löse die bestehende zweistufige Grundstruktur des Unterhaltsanspruchs ohne Not auf, indem er den gesetzlich normierten Maßstab der ehelichen Lebensverhältnisse mit dem Argument Halbteilung auf den Maßstab der tatsächlichen Lebensverhältnisse ohne Bezug zu der Ehe verkürzt. Dies sei weder erforderlich, da die §§ 1581 und 1578b BGB eine Herabsetzung des Unterhalts ausreichend ermöglichen, noch vom Gesetzgeber legitimiert, zumal erst kürzlich die Unterhaltsrechtreform 2008 an der Verzahnung der §§ 1578 und 1581 BGB nichts geändert hat. Die Legislative habe damit ein klares Signal für die Judikative gesetzt. Die bisherige Differenzierung zwischen Bedarf, Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit habe zu sehr differenzierten und ausbalancierten Ergebnissen geführt, während nun der Rechenschieber regiere. Ohne zwingenden Grund an der Statik des Unterhaltsrechts zu rühren, berge ein Risiko mit ungewissem Ausgang.

Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Schwab, Regensburg, griff das Leitthema des deutschen Anwaltstages "60 Jahre Grundgesetz – den Rechtsstaat gestalten" in seinem Vortrag "Die Rechtsprechung des BVerfG und seine Bedeutung für die Entwicklung des Familienrechts" auf. Anhand einzelner Urteile des BVerfG stellte er den Einfluss der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung auf die Gesetzgebung dar. Hierbei wirke das BVerfG in dreifacher Funktion: als Impulsgeber für die Modernisierung des Familienrechts, als Promotor von Gesetzesreformen und als Wahrer von Traditionen. Schwab ging auf etliche Entscheidungen ein und verdeutlichte anschaulich, wie häufig das BVerfG Reformgesetze unmittelbar beeinflusst oder präformiert hat. Zwei Verdienste hob er besonders hervor: die kompromisslose Durchsetzung gleicher Rechte und Pflichten von Mann und Frau in der Familie und die Gleichstellung nichtehelicher Kinder mit den ehelichen Kindern.

Mallory Völker, Richter am Familiengericht Saarbrücken, Deutscher Verbindungsrichter des Europäischen Justiziellen Netzes in Zivil- und Handelssachen, konzentrierte seinen mit erfrischenden Zitaten gewürzten Vortrag "Europäisierung des Familienrechts" auf das Kernproblem des internationalen Familienrechts – das forum shopping. Darunter versteht man die gezielte Auswahl des international zuständigen Gerichts, um dem Mandanten über die lex fori, das am Ort des angerufenen Gerichts geltende Recht, Zugang zu dem ihm günstigsten Recht zu verschaffen. Anhand von Beispielsfällen stellte Völker die Problematik und die damit verbundenen Haftungsrisiken dar. Letztlich sei es oft der schnellere und anwaltlich besser vertretene Ehegatte, der das forum shopping gewinne, nicht selten der wirtschaftlich Stärkere. Daher sei es unter sozialstaatlichen Gesichtspunkten dringend wünschenswert, die Möglichkeiten des forum shoppings auf ein Minimum zu begrenzen. Die EU-Kommission habe hierzu bereits seit 2006 Bemühungen unternommen, die bisher noch am Widerstand einzelner EU-Mitgliedsstaaten scheiterten. Abschließend stellte Völker die Frage, ob es nicht sinnvoll wäre, das materielle Familienrecht der EU-Staaten zu vereinheitlichen. Er plädierte gegen eine Vereinheitlichung und sprach sich unter Hinweis auf den Leitspruch der Europäischen Nation "In Vielfalt geeint" für eine Annäherung aus. Jede Gleichmacherei sei im Ansatz Feind der kulturellen Vielfalt. Diese Vielfalt garantiere aber einen Wettbewerb zwischen den Mitgliedsstaaten um die besten Bedingungen für familiäre Beziehungen, ermögliche Rechtsvergleichung und eröffne damit die Chance, bei innerstaatlichen Reformen gute normative Ansätze anderer Mitgliedsstaaten aufzugreifen und auch weiterzuentwickeln.

Nach der schweren juristischen Kost lud die AG Familienrecht zu ihrem traditionellen Empfang auf dem Anwaltstag ein, bei dem die Vorsitzende des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbei...

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