Wer als Gläubiger im Ausland einen Unterhaltstitel erwirkt, kann diesen nicht ohne Weiteres gegen den im deutschen Inland lebenden Schuldner durchsetzen. Im "Dschungel der Rechtsquellen"[1] geht leicht der Überblick verloren.

1. Rechtsgrundlage für Vollstreckbarerklärung

Die zumeist einschlägige "Verordnung Nr. 4/2009 vom 18.12.2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen" (EuUntVO) bindet nur die Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Wird wie hier ein Titel in der Schweiz erwirkt und soll in Deutschland durchgesetzt werden, greift die Verordnung mangels EU-Mitgliedschaft der Schweiz nicht. In Betracht kommen stattdessen das "Haager Übereinkommen vom 2.10.1973 über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen" (HUVÜ 73) oder das "Luganer Abkommen vom 30.10.2007 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen" (LugÜ 2007). Beide Übereinkommen sehen vor der eigentlichen Vollstreckung die Durchführung eines gesonderten Verfahrens zur Erklärung der Vollstreckbarkeit (Exequaturverfahren) vor. Das "Haager Übereinkommen über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen vom 23.11.2007" (HÜVO 2007) hat zwar vielfach das HUVÜ 73 abgelöst, die Schweiz ist diesem Übereinkommen jedoch nicht beigetreten, so dass im Verhältnis Deutschland/Schweiz weiterhin das HUVÜ 73 gilt. Dessen Verhältnis zum LugÜ 2007 ist allerdings umstritten. Der BGH[2] vertritt die Auffassung, für den Titelgläubiger bestehe in jedem Fall die Möglichkeit, ein Verfahren der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung nach den Art. 25 ff. LugÜ in Anspruch zu nehmen (Art. 67 Abs. 5 S. 2 LugÜ), weil das HUVÜ 73 insoweit keinen Vorrang beanspruche. Wohl auf der Grundlage dieser Rechtsprechung hatte auch das OLG Stuttgart als Beschwerdegericht die von der Gläubigerin auf der Grundlage des LugÜ eingereichten Unterlagen akzeptiert, weil die Gläubigerin sich für das Verfahren nach diesem Übereinkommen entschieden habe. Das OLG München[3] meint demgegenüber, Art. 67 Abs. 1 und 5 LugÜ würden dem HUVÜ 73 den Vorrang einräumen. Nur wenn nach dem HUVÜ 73 keine Anerkennung und Vollstreckung möglich seien, könne auf das anerkennungsfreundlichere LugÜ zurückgegriffen werden (Art. 23 HUVÜ 73). Die BGH-Auffassung erscheint mir freilich nicht nur überzeugender, sondern auch anwenderfreundlicher.

Der BGH brauchte auf das Problem inhaltlich nicht näher einzugehen, da der Schuldner lediglich versuchte, mit zwei Argumenten die Entscheidung des OLG als Beschwerdegericht zu Fall zu bringen: Zum Einen rügte er, dass das Amtsgericht für die Vollstreckbarkeitserklärung sachlich unzuständig gewesen sei, zum Andern hätte dem Antrag des Sohnes nicht entsprochen werden dürfen, weil nicht der Sohn, sondern dessen Mutter und Ehefrau des Schuldners im Titel als Gläubigerin genannt sei. Beiden Rügen erteilte der BGH als Rechtsbeschwerdegericht eine Absage.

2. Zuständigkeitsrüge

Der BGH lässt die Frage offen, ob Art. 39 LugÜ 2007 i.V.m. dessen Anhang II maßgeblich die Zuständigkeit bestimmt (also der Vorsitzende einer Kammer des Landgerichts für die Vollstreckbarerklärung zuständig ist) oder vielmehr § 35 Abs. 1 des "Gesetzes zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Verkehr mit ausländischen Staaten" (Auslandsunterhaltsgesetz – AUG) maßgeblich ist. Danach hat ausschließlich das Amtsgericht die Entscheidung zu treffen, das für den Sitz des Oberlandesgerichts zuständig ist, in dessen Zuständigkeitsbezirk sich der Schuldner gewöhnlich aufhält oder die Vollstreckung durchgeführt werden soll. Allerdings bestimmt § 2 AUG grundsätzlich die Anwendbarkeit des FamFG, soweit das AUG nichts Anderes vorsieht. Damit verweist es auf § 65 Abs. 4 FamFG, wonach eine Beschwerde nicht darauf gestützt werden kann, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat. Diese Vorschrift entspricht den §§ 513 Abs. 2, 571 Abs. 2 S. 2 ZPO. Für die vorgenannten ZPO-Vorschriften hat der BGH noch vor kurzem betont, durch sie werde "dem Beschwerdegericht die Prüfung der örtlichen, sachlichen und funktionellen Zuständigkeit des Erstgerichts" untersagt.[4] Dieser Rügeausschluss entspricht auch der allgemeinen Auffassung in der Literatur.[5] Die jetzt zu § 65 Abs. 4 FamFG getroffene Entscheidung überrascht deshalb nicht. Anhaltspunkte für eine willkürlich angenommene erstinstanzliche Zuständigkeit des Familiengerichts, die nach der vom BGH zitierten Rechtsprechung eine Ausnahme vom Rügeausschluss bildet, bestanden keine, zumal die Bindungswirkung des vom Schuldner nicht angegriffenen Verweisungsbeschlusses vom Landgericht an das Familiengericht zu berücksichtigen war. Zudem sieht der BGH zutreffend das Exequaturverfahren bei Unterhaltstiteln kraft Sachzusammenhangs als Familienstreitsache an.[6] Auch der Umstand, dass zur möglichst schnellen Durchsetzb...

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