Die vorzugswürdige Lösung wäre somit, einen Abzug der Ertragsteuer (sowie der Spekulationssteuer) nur dann zuzulassen, wenn diese unvermeidbar ist bzw. tatsächlich zeitnah anfällt. In diesem Fall ist der Betrag, den der Ausgleichspflichtige aus dem Wert des Vermögensgegenstandes realisieren kann, auch nur der eingenommene Kaufpreis abzüglich der Steuer und abzüglich sonstiger Veräußerungskosten. Folglich wären im Fall einer tatsächlichen Veräußerung nach dem Stichtag bei der Wertermittlung vom objektiven Verkehrswert der Sache bzw. vom erzielten Kaufpreis die angefallenen Veräußerungskosten und die angefallene Steuer abzuziehen. Ähnlich wie der BGH im Erbrecht argumentiert, kann man hier nämlich sagen, dass die latente Steuerlast dem Gegenstand bereits zum Stichtag wertmindernd anhaftete. Die Höhe der Steuer sollte sich zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Zugewinnausgleich[116] auf Grundlage der Steuerbescheide auch feststellen lassen.

Für den Fall einer Veräußerung kurz vor dem Stichtag sollte das in gleicher Weise gelten. Zwar gibt es dann zum Stichtag im Endvermögen keinen Gegenstand mehr, dessen Verkehrswert zu ermitteln wäre. Aus Gründen der Gleichbehandlung sollte hier aber ebenfalls der Abzug der nachträglich anfallenden Ertrag- oder Spekulationssteuer möglich sein, da sie real vermögensmindernd wirkt, auch wenn der Wertungswiderspruch nun nicht mehr so groß wäre wie beim Abzug fiktiver Steuern. Ohne § 1381 BGB bemühen zu müssen, könnte man insoweit sagen, dass der jeweilige Kaufpreis untrennbar mit der Belastung erworben wurde, dafür auch die Steuer zu zahlen, sodass von vornherein nur der entsprechend gekürzte Kaufpreis in die Bilanz aufzunehmen wäre. In ähnlicher Weise hat auch der BGH schon im Zusammenhang mit Ansprüchen auf Rückforderung von Schwiegerelternzuwendungen argumentiert.[117] In solchen Fällen ist der Wert der Zuwendung zwar in das Anfangsvermögen des Beschenkten einzustellen, zugleich aber um den späteren, anlässlich der Scheidung entstehenden Rückzahlungsanspruch zu kürzen. Das Problem, dass man bei Veräußerung vor dem Stichtag nicht ungerechtfertigt schlechter steht, wäre damit gelöst.

Autor: Marina Wellenhofer, Professorin an der Goethe-Universität Frankfurt

FF, S. 290 - 300

[116] Krit. wegen des zeitlichen Problems aber Elden, NZFam 2021, 677 (679).
[117] Vgl. BGH NJW 2010, 2202.

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