Der erste Punkt wäre, dass man den Abzug der latenten Steuern beim Zugewinnausgleich nicht auf das Endvermögen beschränken dürfte, sondern in gleicher Weise auf das Anfangsvermögen erstrecken müsste.[35] Bestand ein Unternehmen schon bei Heirat, müsste folglich bezogen auf den damaligen Zeitpunkt die damals im Veräußerungsfall hypothetisch angefallene Ertragsteuer berechnet werden. Waren damals Grundstücke vorhanden, müsste die entsprechende Spekulationssteuer abgezogen werden usw. Ob der BGH diese Konsequenz seiner Thesen erkannt hat, wird von manchen bezweifelt.[36]

Jedenfalls ist das nicht ganz unaufwändig, zumal das damalige Steuerrecht zugrunde zu legen wäre und der damalige Gesamtbetrag des zu versteuernden Einkommens etc., da es stets um die einzelfallbezogene Ermittlung der Steuer nach den individuellen Steuermerkmalen des jeweiligen Ehegatten geht.[37] Gerade bei Unternehmen wird sich die Steuerlast oft nur schwer quantifizieren lassen, weil sie von vielen verschiedenen Faktoren abhängt.[38] Auch wenn man dazu gewisse Schätzungen zulassen sollte,[39] wird man meist nicht ohne Fachanwalt für Steuerrecht auskommen.[40] Abgesehen davon zeigt sich gerade mit Blick auf das Anfangsvermögen, dass es seltsam anmutet, wenn hier eine latente Steuer abgezogen wird, obwohl man zum gegenwärtigen Zeitpunkt genau weiß, dass diese Steuer tatsächlich nie angefallen ist.

[35] Klarstellend Kogel, Strategien beim Zugewinnausgleich, 7. Aufl. 2022, Rn 1137 für Grundstücke, Rn 1183a für Unternehmen; Elden, NZFam 2021, 677 (680); Münch, DStR 2014, 806 (812); Münch, Handbuch Familiensteuerrecht, 2. Aufl. 2020, Rn 200; BeckOGK BGB/Preisner, 1.5.2022, § 1376 Rn 469.
[36] Vgl. Hachmeister/Ruthardt, FS Großfeld, 2019, S. 153 (170).
[37] BGH FamRZ 2011, 1367; Kogel, Strategien beim Zugewinnausgleich, 7. Aufl. 2022, Rn 1182; Schulz, FamRZ 2014, 1684; BeckOGK BGB/Preisner, 1.5.2022, § 1376 Rn 467 f.
[38] Vgl. Winkler, ZEV 2005, 89 (90).
[39] So jedenfalls noch BGH FamRZ 2011, 183.
[40] Vgl. Münch, Handbuch Familiensteuerrecht, 2. Aufl. 2020, Rn 193 (S. 159); Schlünder, FamRZ 2015, 372.

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