Verfahrensrechtlich bedeutsam ist außerdem Art. 48 Abs. 2 Brüssel IIb-VO, der die Möglichkeit des Widerrufs einer gemäß Art. 47 Brüssel IIb-VO ausgestellten Bescheinigung über eine privilegierte Entscheidung im Sinne des Art. 42 Abs. 1 Brüssel IIb-VO einführt. Der Widerruf kann von dem zuständigen Gericht des Ursprungsmitgliedstaats von Amts wegen, aber auch auf Antrag ausgesprochen werden, wenn die privilegierte Entscheidung gemessen an den in Art. 47 Brüssel IIb-VO festgelegten Voraussetzungen zu Unrecht ausgestellt wurde. Hierdurch wird eine nachträgliche Überprüfung ermöglicht, ob die in Art. 47 Abs. 2 und 3 Brüssel IIb-VO genannten wesentlichen Verfahrensvorschriften tatsächlich eingehalten worden sind.[8] Bestehen bleibt daneben die bisher in Art. 43 Abs. 1 Brüssel IIa-VO geregelte Möglichkeit der Berichtigung wegen Unstimmigkeiten, d.h. Schreibfehlern oder sonstigen offenbaren Unrichtigkeiten bei der Übertragung des Inhalts der Entscheidung, die nun für privilegierte Bescheinigungen in Art. 48 Abs. 2 Brüssel IIb-VO und erstmals ausdrücklich auch für sonstige Bescheinigungen in Art. 37 Brüssel IIb-VO vorgesehen ist.

Die Verfahren für den Widerruf wie auch für die Berichtigung einer Bescheinigung einschließlich etwaiger Rechtsmittel unterliegen dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats und sind für Deutschland in den neu gefassten §§ 49 und 50 IntFamRVG 2022 geregelt. Für die Berichtigung verweist § 49 IntFamRVG 2022 auf § 319 ZPO, wobei an dieser Stelle darauf hinzuweisen ist, dass entgegen der bisherigen Regelung auch die Ausstellung von Bescheinigungen über nicht privilegierte Entscheidungen nicht mehr dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, sondern dem Familienrichter bzw. dem Vorsitzenden des zuständigen Senats für Familiensachen zugewiesen ist (§ 48 Abs. 2 IntFamRVG 2022). Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, ist gemäß § 49 IntFamRVG 2022 in Verbindung mit § 319 Abs. 3 Alt. 2 ZPO mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Über den Widerruf einer Bescheinigung entscheidet gemäß § 50 Abs. 1 IntFamRVG 2022 das Gericht, das die Bescheinigung ausgestellt hat. § 50 Abs. 2 IntFamRVG 2022 erklärt § 319 Abs. 2 und 3 ZPO auf den Widerruf entsprechend anwendbar, so dass auch gegen die einen Widerruf aussprechende Entscheidung das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist. Ob weitergehend gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts bei entsprechender Zulassung die Rechtsbeschwerde statthaft ist, erscheint im Hinblick auf § 48 Abs. 4 S. 2 IntFamRVG 2022 zweifelhaft.[9]

[8] Eine parallele, aber praktisch voraussichtlich weniger bedeutsame Regelung enthält Art. 67 Abs. 2 Brüssel IIb-VO für Bescheinigungen, die über öffentliche Urkunden und Vereinbarungen im Sinne von Kapitel IV Brüssel IIb-VO ausgestellt worden sind.
[9] Klinkhammer, FamRZ 325, 330.

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