1. Ausgangslage

Bis zum Inkrafttreten des neuen Unterhaltsrechts am 1. Januar 2008 war der Unterhaltsanspruch der zweiten Ehefrau des Unterhaltsverpflichteten, auch wenn sie Kinder betreute, gem. § 1582 BGB a.F. in Mangelfällen gegenüber dem Unterhaltsanspruch der geschiedenen kinderbetreuenden Ehefrau nachrangig, obwohl nach § 1609 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. die Unterhaltsansprüche aller betreuenden Mütter mit den Unterhaltsansprüchen der minderjährigen Kinder im gleichen Rang waren. Da die maßgeblichen Vorschriften der §§ 1609 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. und 1582 BGB a.F. nach ihrem Wortlaut in sich widersprüchlich waren, hatte der BGH[1] mittels teleologischer Reduktion eine Auslegung dieser Vorschriften dahin vorgenommen, dass sich die in § 1582 BGB normierte Vorrangstellung des geschiedenen Ehegatten in Mangelfällen uneingeschränkt durchgesetzt hat, selbst wenn der neue Ehegatte auch unter Berücksichtigung des Splittingvorteils aus der neuen Ehe[2] darauf verwiesen werden musste, für seinen Unterhalt Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen. An dem relativen Vorrang der geschiedenen Ehefrau hat er auch nachfolgend für die Fälle, in denen ihr ein Unterhaltsanspruch zustand, festgehalten.[3]

Außerhalb des Mangelfalles führte dieses sog. relative Rangverhältnis des geschiedenen Ehegatten und der minderjährigen Kinder gegenüber dem neuen Ehegatten i.d.R. dazu, dass der Bedarf in einer nachfolgenden Ehe durch den Vorwegabzug anderer gleichrangiger Ansprüche gemindert wurde. Die neue Ehe des Unterhaltsverpflichteten war immer mit der Hypothek einer Unterhaltspflicht für die geschiedene Ehefrau belastet.[4] Durch das Urt. v. 15. März 2006[5] hat der BGH alle gleichrangigen Ansprüche als bedarfsprägend behandelt, so dass nun auch der Unterhalt der zweiten Ehefrau, die ein gemeinschaftliches Kind betreute, Einfluss auf den Bedarf des ersten Ehegatten hatte.[6] In der Praxis stellte sich die Frage, wie der Bedarf bei gleichrangigen Ehegatten zu berechnen ist, nicht sehr häufig, weil es sich in der Mehrzahl der Fälle um Mangelfälle handelte.

Seit dem 1. Januar 2008 befinden sich die Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder gem. § 1609 Nr. 1 BGB im ersten Rang. Alle Unterhaltsansprüche der Mütter und Väter, die wegen der Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt sind oder im Falle einer Scheidung wären, finden sich im zweiten Rang, § 1609 Nr. 2 BGB. Das Gesetz enthält keine Regelungen, wie der Bedarf der jetzt gleichrangigen Unterhaltsberechtigten im zweiten Rang rechnerisch zu bestimmen ist. Auch die Leitlinien der verschiedenen Oberlandesgerichte enthalten – wenn beide Unterhaltsberechtigte eigene Einkünfte haben – zu diesem Problem keine Lösungsansätze (Ausnahme: Unterhaltsleitlinien des OLG Köln, Ziffer 15.5). Das Urteil des OLG Düsseldorf vom 5. Mai 2008 stellt für diese Konstellation eine neue Berechnungsmethode vor.

2. Inhalt der Entscheidung

Aus der seit Februar 1997 geschiedenen Ehe der Parteien sind drei Kinder (geboren 1985, 1988 und 1995) hervorgegangen. Der Beklagte hat mit seiner zweiten Ehefrau zwei weitere Kinder, geboren in den Jahren 1999 und 2001. Sowohl die Klägerin als auch der Beklagte und seine neue Ehefrau beziehen Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit.

Bei der Berechnung des Unterhaltsanspruchs für die hier interessierende Zeit ab Januar 2008 berücksichtigt das Oberlandesgericht entsprechend der Rechtsprechung des BGH[7] zur Frage der Wandelbarkeit der ehelichen Lebensverhältnisse im Rahmen der Bedarfsermittlung die Unterhaltsansprüche aller Berechtigten, unabhängig davon, ob sie vorrangig oder gleichrangig sind und ob sie bereits vor der Scheidung oder erst danach entstanden sind.

Für die Bedarfsermittlung addiert das Gericht die Erwerbseinkünfte des Unterhaltsverpflichteten (des Beklagten), seiner Ehefrau und der unterhaltsberechtigten geschiedenen Klägerin (soweit die Entscheidung von "Erwerbseinkünften aller Unterhaltsberechtigten" spricht, ist dies missverständlich) nach der Bereinigung um Steuern, Sozialabgaben, berufsbedingten Aufwendungen, Kindesunterhalt (Zahlbeträge nach Herausrechnung des Kindergelds) und des Anreizsiebtels und teilt sie sodann durch die Anzahl der Beteiligten (die Bezeichnung "Anzahl der Unterhaltsberechtigten" ist nicht zutreffend). Es ergibt sich sodann für die Klägerin, den Beklagten und dessen Ehefrau ein Bedarf von je einem Drittel der nach Abzug des Anreizsiebtels verbleibenden Gesamteinkünfte. In diese Berechnung stellt das Gericht jedoch nicht das fiktiv nach Steuerklasse 1 ermittelte Einkommen des Unterhaltspflichtigen, sondern das – wegen der tatsächlich gewählten Steuerklasse 4 hier auch fiktiv zu ermittelnde – Einkommen des Beklagten und seiner Ehefrau nach Steuerklasse 3 sowie den gesamten Familienzuschlag ein. Auf den so ermittelten Bedarf der Klägerin rechnet das Gericht ihr eigenes bereinigtes Einkommen nach Abzug des Anreizsiebtels an, so dass sich der Unterhaltsanspruch auf den Restbedarf beschränkt.

Um den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts[8] gerecht zu werde...

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