Spricht man über die Mutterstellung, ist es hilfreich, zwischen einer "ersten" und einer "zweiten" Elternstelle zu unterscheiden. Die erste Elternstelle ist im geltenden deutschen Recht stets der Frau vorbehalten, die das Kind geboren hat. Diese rechtliche Zuordnung zur Mutter ist seit 1998 durch § 1591 BGB klar und alternativlos bestimmt. Der Gesetzgeber reagierte damit darauf, dass es durch die moderne Fortpflanzungsmedizin möglich geworden war, Eizellen oder Embryonen auf eine andere Frau zu übertragen, so dass die gebärende Frau nicht mehr notwendig zugleich die genetische Mutter sein musste.[16] Diese Methoden wurden politisch abgelehnt. Schon zuvor war die Eizellspende durch § 1 Abs. 1 ESchG verboten worden.

Heute wird immer häufiger angenommen, dass die bestehende Regelung nicht mit den Grundrechten der betroffenen Frauen vereinbar ist. Dabei geht es um Gleichbehandlung i.S.d. Art. 3 Abs. 1 GG, aber auch um das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG.[17] Beides kommt zusammen, wenn die Frau, die die Eizelle gespendet hat, mit Einverständnis der Geburtsmutter und des Vaters die Mit-Mutterschaft für ein Kind übernehmen möchte. Auch wenn die Eizellspende in Deutschland verboten ist, geschieht das gar nicht so selten. Weibliche Ehepaare gehen nämlich manchmal so vor, um auf diese Weise eine beiderseitige Beteiligung an der Entstehung eines Kindes herbeizuführen.[18] Die Rechtsstellung der Eizellspenderin ist hier wesentlich schwächer als die Position eines Mannes in einer vergleichbaren Situation.[19] Als genetischer Vater hätte ein Mann die Möglichkeit, sich als Vater festzustellen zu lassen und wenn nötig auch die Vaterschaft eines anderen Mannes anzufechten (zu den Einzelheiten 3. b)).

Ein weiterer Unterschied zwischen der Rechtsstellung des nicht genetischen rechtlichen Vaters und der nicht genetischen rechtlichen Mutter besteht darin, dass ersterer die Vaterschaft anfechten kann, während eine biologische Mutter diese Option nicht hat. Dieser Unterschied kann aber kaum als Grundrechtsverstoß angesehen werden. Anders als der Mann hat die Frau in dieser Situation immerhin freiwillig einen erheblichen Anteil an der Entstehung des Kindes übernommen. Dieser Verantwortung soll sie sich nicht später durch Anfechtung entziehen können.

Blickt man nun auf die zweite Elternstelle, so sieht das Abstammungsrecht derzeit nicht vor, dass die Ehefrau der Mutter diese Stelle einnehmen kann. Dies ist vielmehr nur im Wege der Stiefkindadoption möglich.[20] Der BGH hat insbesondere eine analoge Anwendung des § 1592 Nr. 1 BGB abgelehnt, was teilweise kritisiert worden ist.[21] Man muss aber – mit dem BGH – wohl einräumen, dass es erhebliche Sachunterschiede zwischen dem Ehemann der Mutter und der Ehefrau der Mutter gibt, wenn es um die Abstammung geht. Eine der Grundlagen für die pater-est-Regelung in § 1592 Nr. 1 BGB besteht darin, dass dessen genetische Vaterschaft wahrscheinlich ist. Das kann für die Ehefrau der Mutter nicht gesagt werden. Eine Analogie hätte die Grenzen der Rechtsfortbildung daher überschritten. Eines der wichtigen Ziele der Reform besteht darin, hierzu eine Regelung einzuführen.

[16] BT-Drucks 13/4899, S. 82.
[17] Eine Eizellspenderin ist als genetische Mutter Elternteil i.S.v. Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG; nur Robbers in von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 6 Rn 175; Sanders, Mehrelternschaft, 2018, S. 314.
[18] Dethloff, Reziproke In-vitro-Fertilisation – Eine neue Form gemeinsamer Mutterschaft, in: FS für Coester-Waltjen – Zwischenbilanz, 2015, S. 41, 43.
[19] Dazu Löhnig, Die leibliche, nicht rechtliche Mutter, FamRZ 2015, 806, kritisch insbesondere mit Blick auf § 1686a BGB.
[20] Seit der Entscheidung des BVerfG ist dies nun auch unverheirateten Paaren möglich, BVerfG NJW 2019, 1793 Rn 113 ff.; umgesetzt inzwischen durch § 1766a BGB.
[21] BGHZ 220, 58 m. zust. Anm. Coester-Waltjen, FamRZ 2018, 1922, 1923; Wellenhofer, JuS 2019, 393; kritisch etwa Löhnig, JA 2019, 69; ders., Gemeinsame Elternschaft gleichgeschlechtlicher Paare kraft Gesetzes?, NJW 2019, 122.

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