Auch und gerade die "Annahme an Kindes statt", so die Umschreibung der Adoption in den §§ 1741 ff. BGB, hat durch die Rechtsprechung des BVerfG zusätzliche Konturen erhalten, bis hin zur Frage der Sukzessivadoption bei eingetragenen Lebenspartnerschaften (s. dazu nachstehend Ziff. 10). Während früher, so das BVerfG in seiner Grundsatzentscheidung "Adoption I" von 1968,[9] "… bei der Adoption das Interesse kinderloser Personen an der Weitergabe des Familiennamens und Familienerbes im Vordergrund stand und häufig Erwachsene adoptiert wurden, dient die Adoption heute vor allem dem Zweck, verwaiste Kinder und Kinder, deren Eltern zur Erziehung nicht in der Lage sind, der dauernden Obhut einer zur Pflege und erziehungsfähigen Familie anzuvertrauen und zugleich den Wunsch von Männern und Frauen ohne natürliche Nachkommenschaft zu erfüllen, ein Kind als ihr eigenes aufzuziehen. Die Adoption erfüllt damit eine bedeutsame soziale Funktion." Grundsätzlich sind zu einer Adoption ab Vollendung des 14. Lebensjahres die Einwilligung des Kindes (und zuvor die seines gesetzlichen Vertreters) und im Übrigen die Einwilligung der Eltern des Kindes erforderlich, §§ 1746, 1747 BGB. Aufgrund des Familienrechtsänderungsgesetzes von 1961[10] wurde die Möglichkeit vormundschaftsgerichtlicher Ersetzung der Einwilligung eines Elternteils auf Antrag des Kindes geschaffen, "… wenn dieser seine Pflichten gegenüber dem Kind dauernd gröblich verletzt oder die elterliche Gewalt verwirkt hat und wenn er die Einwilligung böswillig verweigert und das Unterbleiben der Annahme an Kindes statt dem Kinde zu unverhältnismäßigem Nachteil gereichen würde", so die Formulierung des seinerzeitigen § 1747 Abs. 3 BGB.[11] Auf Vorlage mehrerer Gerichte hat das BVerfG die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung, d.h. die Ersetzung der elterlichen Einwilligung zur Adoption in Fällen schwerwiegenden und dauernden Versagens der Eltern, bestätigt: Eltern, die sich der aus Art. 6 Abs. 2 GG ergebenden Pflicht zur Pflege und Erziehung von Kindern entzögen, könnten sich gegenüber staatlichen Eingriffen zum Wohle des Kindes nicht auf das Elternrecht berufen. Und das sich ebenfalls aus Art. 6 Abs. 2 GG ergebende Wächteramt des Staates diene in erster Linie dem Schutzbedürfnis des Kindes, dem als Grundrechtsträger eigene Menschenwürde und ein eigenes Recht auf Entfaltung seiner Persönlichkeit im Sinne der Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 S. 1 GG zukomme. Im Übrigen sei die Anwendung des § 1777 Abs. 3 BGB auch bei Inkognito-Adoptionen verfassungsrechtlich zulässig.

Die Vorstufe der Adoption ist in aller Regel die "Adoptionspflege" i.S.d. § 1744 BGB, wonach die Adoption grundsätzlich erst ausgesprochen werden soll, wenn der Annehmende das Kind eine angemessene Zeit in Pflege gehabt hat. Bereits das kann bei disparaten Familienverhältnissen, bei denen sich das Kind in einer Pflegefamilie befindet, zu Konflikten mit den Pflegeeltern und, bei jahrelanger Dauerpflegschaft, ausnahmsweise sogar zu einer Verletzung der den Pflegeeltern aus Art. 6 Abs. 1 und 3 GG zukommenden Grundrechte führen. Eine so genannte Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB durch das Familiengericht, die die Pflegeperson in einem solchen Fall beantragen kann, muss sich bei der vom Jugendamt (als Sorgeberechtigten) betriebenen Herausgabe des Kindes zugunsten einer künftigen Adoptivfamilie bzw. der zunächst angestrebten Adoptionspflege auch und gerade damit auseinandersetzen, dass und ob die vorgesehenen Adoptiveltern in der Lage sind, das Kind ohne dauerhafte Schädigungen in ihre Familie zu integrieren. Das gelte selbst dann, so das BVerfG in seiner Entscheidung von 1988,[12] wenn (vorübergehende) psychische Beeinträchtigungen des Kindes als Folge der Trennung von der Pflegefamilie nicht schlechthin ausgeschlossen werden könnten. Diese seien aber wegen der beabsichtigten Adoption grundsätzlich hinnehmbar. Denn das Kind erhalte durch die (Voll-)Adoption eine bessere rechtliche Stellung als ein Pflegekind. Darüber hinaus verlange das Wohl des Kindes eine Entscheidung, die ihm ein Höchstmaß an Geborgenheit gewährleiste. Auch in dieser Hinsicht sei die Adoption eines Kindes dem Pflegekindschaftsverhältnis vorzuziehen. Gleichwohl hat das BVerfG im konkreten Fall zwar nicht der Verfassungsbeschwerde der Pflegeeltern, aber der Verfassungsbeschwerde des Kindes stattgegeben, weil seitens des Familiengerichts nicht festgestellt worden sei, dass die vorgesehenen Adoptiveltern tatsächlich in der Lage seien, der psychologischen Ausnahmesituation des Kindes gerecht zu werden, wenn es von seiner Pflegefamilie getrennt wird.

Ein Volljähriger kann als Kind angenommen werden, wenn die Annahme "sittlich gerechtfertigt" ist. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden bereits ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden ist, so § 1767 Abs. 1 BGB. In seiner Entscheidung "Volljährigenadoption I" von 1989[13] hat (der für das Ausländerrecht zuständige Zweite Senat) des BVerfG zwar klargestellt, d...

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