Der BGH hatte sich mit der Revision gegen ein Urteil des OLG Schleswig zu beschäftigen.[1] Die Entscheidung des OLG hatte die Berufung des Ehemannes gegen die Verurteilung auf nachehelichen Unterhalt (Folgesache) in Höhe von 463 EUR zurückgewiesen. Der Antragsteller wollte ab Rechtskraft der Ehescheidung keinen Unterhalt mehr zahlen. Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des OLG Schleswig aufgehoben und an die Vorinstanz zurückverwiesen. Zwei Aspekte sind in diesem Fall für die tägliche Praxis des Familienrechtlers von Bedeutung:

Muss Ehegattenunterhalt gezahlt werden, wenn die Kindesbetreuung bei einem Schulkind in einer kindgerechten Betreuungseinrichtung vor Ort vorhanden und die Nachmittagsbetreuung bis 17:00 Uhr gesichert ist?
Kommt eine Verwirkung nach § 1579 BGB des nachehelichen Betreuungsunterhalts in Betracht?

Altersphasenmodell ohne Zukunft

a) Der Fall war zunächst schon wegen der relativ kurzen Ehezeit ungewöhnlich. Die Eheleute hatten 2002 geheiratet, Sohn L kam wenige Wochen nach der Hochzeit auf die Welt. Bereits nach drei Jahren hatten sich die Eheleute getrennt und das Scheidungsverfahren war nach vier Jahren und einem Monat eingeleitet worden (Rechtshängigkeit). Die Ehescheidung war seit August 2008 rechtskräftig. Die geschiedene Ehefrau ist 44 Jahre alt, der geschiedene Ehemann inzwischen 40 Jahre alt. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des OLG war das Kind L sechs Jahre, inzwischen ist es neun. Die Ehefrau betrieb ein Nagelstudio im ehelichen Haus, überwiegend in den Abendstunden. Dies tut sie inzwischen nach einem Umzug nach Baden-Württemberg immer noch, sie ist selbstständig tätig.

b) Was den Betreuungsunterhaltsanspruch anbelangt, verfolgt der BGH seine strikte Linie, wonach das Altersphasenmodell nicht in Betracht kommt. Das OLG hatte gemeint, dass kindbezogene Gründe für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts gegeben seien. Kinder benötigten im Kindergarten- und Grundschulalter nun einmal eine 24-Stunden-Betreuung. Sie könnten auch nicht stundenweise unbeaufsichtigt alleine zu Hause gelassen werden. Eine vollschichtige Tätigkeit könne unter diesen Umständen auch dann nicht verlangt werden, wenn die Ehefrau eine selbständige Tätigkeit zu Hause ausübe.

c) Das Kind hatte keine gesundheitlichen Probleme.[2] Der BGH hat wegen der Ausführungen zum Betreuungsunterhalt die Entscheidung aufgehoben. Das OLG hat nämlich unberücksichtigt gelassen, dass der Schulhort nach den weiteren Feststellungen eine werktägliche Betreuung bis mindestens 17:00 Uhr anbietet. Eindeutig bestätigt ist noch einmal, dass eine Betreuung durch die Mutter nach der gesetzlichen Änderung vom 1.1.2008 nicht mehr geleistet werden muss. Der Vorrang der persönlichen Betreuung der Eltern oder eines Elternteils ist aufgegeben. Ein persönlicher Betreuungsbedarf steht demzufolge einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit der Antragsgegnerin nicht entgegen. Versuche, nach wie vor ein modifiziertes Altersphasenmodell zu propagieren, sind zum Scheitern verurteilt.[3]

Das OLG wird vor allem deshalb gerügt, weil es die individuellen Umstände des Betreuungsumfangs und einer etwaigen überobligatorischen Belastung vermissen lässt und stattdessen auf das Grundschulalter des gemeinsamen Kindes abstellt, also gerade das frühere Altersphasenmodell erörtern will.

Verwirkung nach § 1579 BGB

a) Eine kurze Ehe nach § 1579 Nr. 1 BGB ist nicht gegeben. Die Ehedauer war im konkreten Fall vier Jahre und ein Monat. Der BGH bestätigt noch einmal, dass von einer kurzen Ehedauer dann ausgegangen werden kann, wenn sie nicht mehr als drei Jahre gedauert hat. Besondere Umstände seien auch nicht dargetan, die eine Abweichung von dem Regelfall geboten erscheinen lassen.

b) § 1579 Nr. 2 BGB Verfestigte Lebensgemeinschaft: Unstreitig lebten die Antragsgegnerin und ihr Freund nicht in einer gemeinsamen Wohnung zusammen. Zu prüfen war, ob trotz eines länger dauernden Verhältnisses zu dem neuen Partner eine so genannte distanzierte eheähnliche Lebensgemeinschaft besteht, wofür gemeinsame Urlaubsreisen und freiwillige Zahlungen des Freundes an sich sprachen. Der BGH hat bemängelt, dass der Lebensgefährte von dem OLG trotz substantiierten Vortrages nicht vernommen worden ist. Insofern ist insbesondere zu klären, inwieweit eine verfestigte Lebensgemeinschaft nachgewiesen werden kann, zumal die Ehefrau aus Schleswig-Holstein in die Nähe des Freundes nach Baden-Württemberg gezogen war. Bemängelt wurde auch, dass die Zahlungen des Freundes im Rahmen der Billigkeitsprüfung hätten überprüft werden müssen, insbesondere im Zusammenhang mit der Frage, ob und in welchem Umfang sich die neue Lebensgemeinschaft verfestigt hat.

c) § 1579 Nr. 7 BGB Ausbruch aus normal verlaufender Ehe: Der BGH hat das OLG-Urteil insofern bestätigt, weil unklar war, ob das Verhalten der unterhaltsberechtigten Ehefrau für das Scheitern der Ehe ursächlich war. Hierzu gab der Sachverhalt nichts her.

d) § 1579 Nr. 8 BGB Auffangtatbestand: Die Tatsache, dass die Antragsgegnerin ihren Verpflichtungen zur Nachv...

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