Im Beschwerdeverfahren erhält der Anwalt zunächst einmal für das Betreiben des Geschäfts gem. Vorbem. 3 Abs. 2 VV RVG eine Verfahrensgebühr.

Die Höhe der Verfahrensgebühr richtet sich grundsätzlich nach Nr. 3200 VV RVG (Vorbem. 3.2.1 Nr. 2 Buchst. b) VV RVG) und beläuft sich auf 1,6.

Unter den Voraussetzungen der Nr. 3201 VV RVG ermäßigt sich die 1,6-Verfahrensgebühr der Nr. 3200 VV RVG auf 1,1. Dies betrifft zum einen den Fall der vorzeitigen Erledigung, also wenn sich die Sache für den Anwalt erledigt, bevor er einen Schriftsatz mit Sachanträgen oder Sachvortrag einreicht und bevor er einen Termin wahrnimmt.

 
Praxis-Beispiel

Der Anwalt erhält den Auftrag, gegen den Beschluss des FamG Beschwerde einzulegen. Nach eingehender Prüfung empfiehlt er seinem Mandanten, die Beschwerde nicht einzulegen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg habe. Daraufhin wird der Auftrag zurückgezogen.

Der Anwalt erhält lediglich die ermäßige 1,1-Verfahrensgebühr nach Nrn. 3200, 3201 VV RVG, da sich der Auftrag vorzeitig erledigt hat.

Häufiger wird die Variante der vorzeitigen Erledigung beim Anwalt des Beschwerdegegners vorkommen, wenn sich das Beschwerdeverfahren erledigt, bevor er einen Antrag gestellt hat.

 
Praxis-Beispiel

Nach Zustellung der Beschwerde bestellt sich der Anwalt des Beschwerdegegners auftragsgemäß. Vor Ablauf der Begründungsfrist wird die Beschwerde zurückgenommen.

Da der Anwalt des Beschwerdegegners bislang noch keinen Antrag gestellt hatte, ermäßigt sich auch hier die 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 Nr. 1 VV RVG auf 1,1.

Darüber hinaus ermäßigt sich die Verfahrensgebühr auf 1,1, wenn lediglich die Protokollierung einer Einigung der Parteien beantragt wird (Nr. 3201 Nr. 2, 1. Alt. VV RVG) oder wenn lediglich in diesem Verfahren nicht anhängige Gegenstände (erfolglos) mit erörtert werden, Nr. 3201 Nr. 2, 2. Alt. VV RVG).

 
Praxis-Beispiel

Im Verfahren über den Ehegattenunterhalt kommt es zum Abschluss eines Vergleichs. In diesem Vergleich wird eine Einigung der Eheleute, die diese über die Verteilung des Haushalts bereits untereinander ohne Mitwirkung ihrer Anwälte geschlossen hatten, mit protokolliert.

Aus dem Wert des Ehegattenunterhalts entsteht die volle 1,6-Verfahrensgebühr. Aus dem Wert des lediglich mit protokollierten Haushalts entsteht dagegen die ermäßigte 1,1-Verfahrensgebühr nach den Nrn. 3200, 3201 VV RVG.

 
Praxis-Beispiel

Im Beschwerdeverfahren (Zugewinn) verhandeln die Anwälte zwecks Abschlusses eines Gesamtvergleichs auch über den nicht anhängigen Ehegattenunterhalt. Eine Einigung kommt jedoch nicht zustande.

Aus dem Wert des Zugewinns entsteht die volle 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG. Aus dem Wert des (erfolglos) mit erörterten Unterhalts entsteht dagegen lediglich die ermäßigte 1,1-Verfahrensgebühr nach den Nrn. 3200, 3201 Nr. 2, 2. Alt. VV RVG.

In letzterem Fall ist allerdings die 1,1-Verfahrensgebühr bzw. der nach Kürzung gem. § 15 Abs. 3 RVG hiervon verbleibende Restbetrag auf die Verfahrensgebühr eines nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens anzurechnen, wenn dort die nicht anhängige Forderung anhängig gemacht wird; ebenso ist diese Gebühr auf eine eventuelle nachfolgende außergerichtliche Geschäftsgebühr aus diesem Gegenstand anzurechnen (Anm. zu Nr. 3200 VV RVG).

Soweit die Verfahrensgebühr – wie in den beiden vorstehenden Beispielen – zu unterschiedlichen Sätzen entsteht, also sowohl zu dem Gebührensatz der Nr. 3200 VV RVG in Höhe von 1,6 als auch zu dem ermäßigten Gebührensatz von 1,1 nach Nrn. 3200, 3201 VV RVG, sind beide Teilgebühren zunächst zu berechnen und dann nach § 15 Abs. 3 RVG anschließend auf eine Gebühr nach dem höchsten Gebührensatz, also auf 1,6 aus dem Gesamtwert zu kürzen.

Keine Ermäßigung tritt ein, wenn in einem gerichtlichen Termin über weitergehende nicht anhängige Gegenstände verhandelt und sodann ein Vergleich geschlossen wird.[2]

 
Praxis-Beispiel

Im Verfahren auf Ehegattenunterhalt ver-handeln die Parteien zu Vergleichszwecken auch über den nicht anhängigen Zugewinnausgleich. Es wird sodann ein Gesamtvergleich über Ehegattenunterhalt und Zugewinnausgleich geschlossen und protokolliert.

Die volle 1,6-Verfahrensgebühr entsteht jetzt aus dem Gesamtwert von Unterhalt und Zugewinn. Ein Ermäßigungstatbestand liegt nicht vor. Der Ermäßigungstatbestand der Nr. 3201 Nr. 1 VV RVG scheidet aus, da sich die Sache nicht vor einem Termin, sondern erst im Termin erledigt hat. Dass die Forderung über den Zugewinnausgleich dort nicht anhängig war, ist unerheblich, da die volle Verfahrensgebühr keine Rechtshängigkeit voraussetzt. Ein Ermäßigungsfall nach Nr. 3201 Nr. 2 VV RVG ist nicht gegeben, da sich die Tätigkeit des Anwalts nicht darauf beschränkt hat, lediglich (erfolglos) zu verhandeln oder lediglich eine Einigung der Parteien zu protokollieren. Vielmehr ist die Tätigkeit des Anwalts hier über ein bloßes Verhandeln und ein bloßes Protokollieren hinausgegangen.

Eine Gebührenerhöhung wegen mehrerer Auftraggeber nach Nr. 1008 VV RVG wird auch in Beschwerdeverfahren grundsätzlich nicht in Be...

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