a) Kinderrechte in der Verfassung

Das Grundgesetz sieht weder eine Klarstellung ausdrücklicher Art dahingehend vor, dass Kinder Träger von Grundrechten sein können, noch werden ausdrücklich Kinderrechte in der Verfassung konstituiert. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ist bereits seit Jahrzehnten festgehalten, dass das Kind als Grundrechtsträger selbst Anspruch auf den Schutz des Staates hat. Außerdem ist ein Kind ein Wesen mit eigener Menschenwürde und dem eigenen Recht auf Entfaltung seiner Persönlichkeit i.S.d. Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG.[1] In späteren Entscheidungen ist dieses Recht auf den nasciturus erstreckt worden.[2] Auch im Rahmen des Art. 6 GG sind Kinderrechte verankert. Art. 6 GG, in erster Linie als ein Abwehrrecht der Eltern gegen den Staat konstruiert, begründet nicht nur Rechte der Eltern gegenüber dem Staat, sondern begründet ein Recht des Kindes auf Pflege und Erziehung durch seine Eltern. Dies ist in erster Linie durch die Entscheidung vom 1.4.2008 herausgearbeitet und klargestellt.[3] Darin liegt eine deutliche Stärkung der Rechte des Kindes. Ein Kind kann von Verfassungs wegen nicht als Objekt elterlicher Rechtsausübung gesehen werden, es ist vielmehr Rechtssubjekt mit eigenen Rechten. Die Eltern schulden ihm direkt die Pflege und Erziehung und das Kind hat ein Recht darauf, dass die Eltern diese Verpflichtung wahrnehmen. Es handelt sich dabei dementsprechend um ein Grundrecht mit unmittelbarer Drittwirkung.[4] Daraus folgt auch das Recht des Kindes auf Umgang mit beiden Elternteilen, wobei dieses eigene Recht des Kindes geeignet ist, den Eingriff in das Recht auf Schutz der Persönlichkeit eines Elternteiles zu rechtfertigen.[5] Seine Grenze findet diese Rechtfertigung erst dann, wenn die zwangsweise Durchsetzung dieser Umgangspflicht nicht mehr mit dem Kindeswohl zu vereinen ist.

Allerdings ist nunmehr für die Zwangsvollstreckung einer Umgangsverpflichtung durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes eine Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses hergestellt worden. Im Ergebnis muss das Familiengericht nun die Kindeswohldienlichkeit der Durchsetzung des Umgangs bei einer beharrlichen Verweigerung des Umgangsrechtes durch den Verpflichteten feststellen. Dies begegnet teilweise einiger Kritik, weil dadurch die bestehende Umgangsverpflichtung in einigen Fällen zu einer Naturalobligation mutieren würde. Eine beharrliche und unbeirrte Verweigerung der Verpflichtung führt nun dazu, dass die Rechtsordnung dem Kind die Durchsetzung seines Rechts auf Umgang verweigert.[6]

Dennoch wird allgemein die Entscheidung vom 1.4.2008 als weitere Verankerung der Kinderrechte im bestehenden Grundgesetz angesehen. Außerdem flammt die Diskussion darüber, ob Kinderrechte in der Verfassung verankert werden sollen, erneut auf.[7]

[1] BVerfGE 24, 119, NJW 1968, 2233.
[2] BVerfGE 39, 1, NJW 1982, 933.
[3] Hohmann-Dennhardt, Kindeswohl und Elternrecht – Rechtsverhältnis von Eltern und Kindern, FPR 2008, 476.
[4] Völker, FamRB 2008, 174; Altrogge, Das Urteil des BVerfG zur zwangsweisen Durchsetzung des Umgangsrechts und die Ordnungsmittel des FamFG, FPR 1009, 34, 36.
[5] Peschel-Gutzeit, Umgangspflicht – Eine Naturalobligation?, NJW 2008, 1922, 1924.
[6] Peschel-Gutzeit, NJW 2008, 1922, 1925.
[7] Peschel-Gutzeit, Zur Geschichte der Kinderrechte, FPR 2008, 471, 472; Künast, Kinderrechte in die Verfassung! Wie sonst?, FPR 2008, 478; Völker, in: Wendt/Rixecker, Kommentar zur Verfassung des Saarlandes, 1. Aufl. 2009, Art. 24 Rn 2 ff.; vorab online unter http://www.verfassungsgerichtshof-saarland.de/kommentar.html.

b) Verpflichtung des Kindes zum Umgang?

Gleichzeitig wird die Entscheidung vom 1.4.2008 als Ansatzpunkt dafür genommen, die Verpflichtung des Kindes zum Umgang zu hinterfragen. Dabei geht es freilich nicht um die Diskussion einer nicht bestehenden Verpflichtung des Kindes zum Umgang, geschweige denn um die ebenfalls nicht bestehende Möglichkeit der Vollstreckung gegen ein Kind zur Durchsetzung einer Umgangsverpflichtung. Vielmehr wird die Rechtspraxis gemeint, wonach festzustellen sei, dass der Kindeswille dahingehend, keinen Umgang haben zu wollen, unzureichend von den Gerichten beachtet werde.[1] Insoweit wird teilweise vertreten, eine Vollstreckung des Umgangsrechts mit Zwang, auch gegen den betreuenden Elternteil, sei nicht kindeswohldienlich, da ein gedeihlicher Umgang für das Kind nur hergestellt werden könne, wenn das Kind selbst den Umgang wolle.[2]

Der Kindeswille findet zwar im Rahmen der Prüfung des Kindes zunehmend Beachtung. Mit wachsender Einsichtsfähigkeit des Kindes muss dementsprechend sein Wille zunehmend Beachtung finden und darf nicht ohne triftigen Grund gebrochen werden, damit das Kind in seinem Selbstvertrauen nicht Schaden nimmt.[3] Insoweit ist die Kritik hinsichtlich der Entscheidung vom 1.4.2008 also unbegründet, als es nicht zutreffend ist, dass der Wille des zum Umgang verpflichteten Elternteiles, nur unbeirrt durchgesetzt auch gegen die ausdrücklich kodifizierten Maßgaben der Rechtsordnung, zu seinem Recht werden kann, währe...

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