Die Einordnung der neuen europäischen Scheidungsformen als Verfahrens- oder Privatscheidungen bereitet Schwierigkeiten, weil die europäische Vertragsscheidung ein relativ junges Phänomen ist und sich die klassischen Abgrenzungskriterien eher auf Verstoßungs- und Vertragsscheidungen aus Drittstaaten beziehen. Auch hier war die Abgrenzung nicht immer einfach, weil auch bei drittstaatlichen Privatscheidungen in den meisten Fällen eine staatliche oder geistliche Stelle in irgendeiner Weise beteiligt werden muss.

Als traditionelles Abgrenzungskriterium hat sich daher in der Vergangenheit die Frage etabliert, ob diese Beteiligung konstitutiv oder lediglich deklarativ ist. Damit ist aber nicht gemeint, ob die (quasi-)staatliche Beteiligung zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung ist, denn das kann auch bei einem rein formalen Akt, etwa einer Registrierung, der Fall sein. Gemeint ist vielmehr, durch welchen Akt die ehebeendende Wirkung herbeigeführt wird – den staatlichen Hoheitsakt oder den privaten ein- oder zweiseitigen Willensakt.

Außerdem wird auf Umfang und Intensität der behördlichen Beteiligung abgestellt. Handelt es sich dabei um einen rein formalen Akt, wird die Scheidung als Privatscheidung qualifiziert. Nimmt die Behörde dagegen eine inhaltliche Überprüfung der materiellen Scheidungsvoraussetzungen vor und kann die Scheidung auch unter Verweis auf inhaltliche Aspekte, z.B. die fehlende Ausgewogenheit der Scheidungsfolgenvereinbarung, ablehnen, geht man von einer Verfahrensscheidung aus.

Vor allem bei der Einordnung der neuartigen Vertragsscheidungen aus anderen EU-Mitgliedstaaten führen diese Kriterien allerdings nicht immer zu eindeutigen Ergebnissen.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge