Weder die Erhöhung des Verfahrenswertes auf 30.000 EUR noch die Auferlegung der Kosten auf Opferschutzverbände kann überzeugen.

Die Auferlegung der Kosten an zwei Opferschutzorganisationen verwundert aus mehreren Gründen. Dass Organisationen, deren Tätigkeit in der Unterstützung, Begleitung und Hilfe für Opfer besteht und die hierfür häufig finanzielle Unterstützung der öffentlichen Hand erhalten, für eben diese Tätigkeit im Kontext eines Gerichtsverfahrens durch derartige Kostenregelungen "sanktioniert" werden, ist zumindest den Verfasserinnen bisher nicht bekannt. Eine solche Rechtsauffassung hätte für den Opferschutz erhebliche Auswirkungen. Die Art und Weise der Begründung mit einem Hinweis an das Finanzamt, der Behauptung unlauterer Mittel und eines Angriffs auf den Rechtsstaat wecken die Assoziation einer Diffamierung und verlassen die Ebene der rechtlichen Auseinandersetzung und Einordnung. Zuletzt steht die Frage im Raum, aus welchem Grund selbst eindeutige Vorgaben wie die Gewähr rechtlichen Gehörs nicht eingehalten wurden.

Bei der Höhe der Kosten ist nicht erkennbar, an welcher Rechtsprechung eine Erhöhung um das Zehnfache des Regelverfahrenswertes auch nur in Ansätzen angelehnt sein könnte.

Klar ist: Eine solche Rechtsprechung hat einschüchternden Charakter auf die gesamte Arbeit der Opferschutzeinrichtungen, deren immanenter Bestandteil die Unterstützung von Opfern vor Gericht ist. In Anbetracht der schockierenden Fälle in Staufen, Lügde, Bergisch Gladbach und noch vielen mehr sowie einer öffentlichen Debatte rund um das Gesetzespaket zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder, in der betont wird, wie sehr Opfer gestärkt und unterstützt werde müssten, erscheinen solche Signale besonders verheerend. Angesichts der juristisch nicht überzeugenden Ausführungen des Gerichts bleibt zu hoffen, dass eine derartige Rechtsprechung keinen Bestand haben wird.

Autor: Dr. Dagny Liceni-Kierstein/Dr. Franziska Drohsel, Berlin

FF 5/2022, S. 192 - 196

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