Nach Art. 6 Abs. 5 GG sind und waren "unehelichen Kindern" durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern. Bereits in seinem Beschl. v. 23.10.1958 hatte das BVerfG deutlich gemacht, dass diese Verfassungsbestimmung einen bindenden Auftrag an den Gesetzgeber enthalte und dass dieser die Verfassung verletze, wenn er es unterlasse, den Verfassungsauftrag in angemessener Frist auszuführen oder gar, wie das Gericht in weiteren Entscheidungen klargestellt hat,[22] dem Verfassungsgebot widersprechende Gesetze erlasse; darüber hinaus hätten Gerichte und Verwaltung diese Wertentscheidung der Verfassung bei der Interpretation der einfachen Gesetze zugrunde zu legen.[23] Als dem BVerfG im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde nun auch noch die Frage vorgelegt wurde, ob auf den Unterhaltsanspruch des unehelichen Kindes gegenüber dem Erben seines verstorbenen Vaters gemäß § 1712 BGB a.F. eine Waisenrente aus der Sozialversicherung anzurechnen sei, die dem Kind wegen des Todes seines Vaters gewährt wird, "platzte ihm der Kragen": in seiner Grundsatzentscheidung vom 29.1.1969 stellte das Gericht ultimativ fest, dass der Wille der Verfassung von der Rechtsprechung – auch und gerade im Sinne einer der derogierenden Kraft des Art. 6 Abs. 5 GG gegenüber entgegenstehendem einfachen Recht ! – soweit wie möglich zu verwirklichen sei, wenn der Gesetzgeber den ihm erteilten Auftrag zur Reform des Unehelichenrechts auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts nicht bis zum Ende der seinerzeit laufenden (5.) Legislaturperiode des Bundestags verwirklicht habe. Art. 6 Abs. 5 GG gewähre ein Grundrecht, das als besondere Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes anzusehen sei, und stehe auch nicht im Widerspruch zu Art. 6 Abs. 1 GG. Die Bestimmung des § 1712 BGB a.F. sei in diesem Sinne – zugunsten der Rechtsposition des unehelichen Kindes – auszulegen.[24]

Nicht als Verletzung des Art. 6 Abs. 5 GG gewertet hat das BVerfG in seiner Entscheidung vom 8.12.1976[25] allerdings die in dem daraufhin ergangenen Nichtehelichengesetz vom 19.8.1969[26] enthaltene Regelung, wonach sich in Erbfällen die erbrechtlichen Verhältnisse eines vor dem 1.7.1949 geborenen nichtehelichen Kindes zu seinem Vater und zur väterlichen Familie weiter nach dem alten, vor der Reform geltenden Recht richten sollten. Demgegenüber wurde den später geborenen, im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Nichtehelichengesetzes nach seinerzeitigem Recht volljährig gewordenen nichtehelichen Kindern beim Ableben des Vaters ein Erbersatzanspruch gegen die Erben in Höhe des Wertes des Erbteils zuerkannt. Die daraus resultierende Ungleichbehandlung hat das Gericht unter Hinweis auf die seinerzeit noch bestehenden praktischen und verfahrensmäßigen Schwierigkeiten beim Nachweis der Abstammung von vor dem Stichtag (1.7.1949) geborenen nichtehelichen Kinder sowie damit gerechtfertigt, dass das Vertrauen des Erblassers und seiner Familie in den (Fort-)Bestand der Stichtagsregelung ebenfalls einen gewissen Schutz verdiene.

Nachdem das BVerfG bereits 1982 entschieden hatte, dass der seinerzeit gesetzlich vorgesehene Ausschluss des gemeinsamen Sorgerechts geschiedener Ehegatten für ihre Kinder selbst für den Fall, dass diese willens und geeignet waren, die Elternverantwortung zum Wohle des Kindes weiterhin zusammen zu tragen, das Elternrecht des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG verletze,[27] hatte es sich knapp 10 Jahre später mit der Frage zu befassen, ob auch die gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge für ein nichteheliches Kind unter den gleichen Voraussetzungen und wenn die Eltern außerdem die "Ehelicherklärung" des Kindes (durch den Vater) anstrebten, ausgeschlossen ist oder nur mit der Rechtsfolge ermöglicht werden kann, dass die Mutter das Recht und die Pflicht zur Ausübung der elterlichen Sorge verliert. Die dahingehende Bestimmung des § 1738 Abs. 1 BGB a.F. hat das Gericht ausdrücklich als Verstoß gegen das Verbot der Benachteiligung nichtehelicher Kinder aus Art. 6 Abs. 5 GG gewertet.[28] Auch das staatliche Wächteramt im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG gebiete nicht den entsprechenden Eingriff in das Elternrecht; lebten Vater und Mutter mit dem Kind zusammen und seien beide bereit und in der Lage, die Elternverantwortung zu übernehmen, so entspreche es regelmäßig dem Kindeswohl, wenn beiden Eltern das Sorgerecht zuerkannt werde. Die rechtliche Absicherung der Elternstellung durch Zulassung eines gemeinsamen Sorgerechts könne auch nicht mit der Begründung versagt werden, dass Eltern, die bewusst eine rechtlich verbindliche Ausgestaltung ihrer Beziehungen zueinander im Rahmen der Institution Ehe ablehnten, keinen Anspruch auf die gesetzliche Gewährung von Elternbefugnissen hätten.[29]

Durch das Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts von 1997[30] wurde als Reaktion auf die Rechtsprechung des BVerfG die Vorschrift des § 1626a BGB in das Gesetz eingefügt, wonach nicht miteinander verheirate...

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