Anmerkung zum Urteil des BGH vom 9.2.2011 – XII ZR 40/09, FamRZ 2011, 622

Die Entscheidung – Revisionsentscheidung gegen ein Urteil des OLG Hamm, dem der Sachverhalt entnommen werden kann[1] – enthält nichts grundlegend Neues, sondern behandelt altbekannte Probleme des Zugewinnausgleichsrechts.

Die Einbeziehung freiberuflicher Praxen in die güterrechtliche Ausgleichsbilanz war bereits Gegenstand der Urteile vom 25.11.1998,[2] betreffend den Anteil an einer Steuerberaterpraxis, und vom 6.2.2008,[3] behandelnd die Bewertung einer Tierarztpraxis. Die in diesen Entscheidungen aufgezeigte Linie führt der BGH nun konsequent fort. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer güterrechtlichen Berücksichtigung freiberuflicher Praxen, die noch in der Entscheidung vom 25.11.1998 im Hinblick auf die Berufsfreiheit des Art. 12 GG und die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG thematisiert wurde,[4] wird vorausgesetzt; im Mittelpunkt der Ausführungen stehen jetzt Fragen der Bewertung. Diese setzt an bei dem objektiven Verkehrswert, der für eine freiberufliche Praxis wie für jedes andere Wirtschaftsgut zur Berechnung des Anfangs- und Endvermögens im Zugewinnausgleich zu ermitteln ist.

Wie in den Fällen der Unternehmensbewertung ist Dreh- und Angelpunkt die Frage, ob einer freiberuflichen Praxis über den reinen Substanzwert hinaus ein immaterieller Wert in Form des so genannten good will zukommt. Der BGH bejaht dies wie in den vorangegangenen Entscheidungen, und zwar auch für kleinere Praxen, bei denen die unternehmerischen Fähigkeiten des Inhabers deren "Wohl und Wehe" bestimmen. Die Grenze zieht er dort, wo Ruf und Ansehen des Praxisinhabers von überragender Bedeutung für ihren Erfolg sind. In einem solchen Fall soll der good will entfallen oder doch erheblich gemindert sein. In Anwendung dieser Überlegungen dürfte die Auffassung, dass ein Architekturbüro, dessen Erfolg durch die künstlerischen und kreativen Fähigkeiten des Inhabers bestimmt wird, keinen good will hat,[5] sicher Bestand haben. Im Übrigen ist die Grenzziehung schwierig: Die Kanzlei eines Strafverteidigers hat sicherlich einen good will, aber gilt dies auch für das Büro des hochspezialisierten, überregional tätigen und anerkannten Revisionsrechtlers oder für den Anwalt, der als Spezialist für ein besonders entlegenes Rechtsgebiet erfolgreich ist?

Zur Beantwortung dieser Frage ist ein Blick auf die vom BGH vorgenommene Definition des good will sowie seine Bewertung und damit auf den Kern der höchstrichterlichen Ausführungen erforderlich. Danach kommt dem good will einer freiberuflichen Praxis ein eigener Marktwert zu, wenn ein Erwerber für diese mehr als den Substanzwert zahlen wird. Hierzu ist er bereit, wenn er eine Chance sieht, die Mandanten des bisherigen Inhabers übernehmen und auf den vorhandenen Bestand und die gegebene Konkurrenzsituation aufbauen zu können. Dieser good will bestimmt sich – auch hier knüpft die Entscheidung an die bisherige Rechtsprechung an – nach Faktoren wie Standort, Art und Zusammensetzung des Mandanten- bzw. Patientenstamms, also Faktoren, die auf den Nachfolger übertragbar sind, aber auch nach immateriellen Gesichtspunkten wie Ruf und Ansehen des Praxisinhabers.

Wie ist nun dieser good will zu ermitteln? Die Wahl der Bewertungsmethode ist – so der BGH in dieser Entscheidung wie zuvor in seinem Urteil vom 17.11.2010[6] – Sache des Tatrichters, und zwar des sachverständig beratenen Tatrichters. Mit dieser Wahlfreiheit ist es aber nicht weit her. Der BGH billigt nicht nur unter Verwerfung der reinen Ertragswert- und reinen Umsatzwertmethode die gewählte modifizierte Ertragswertmethode, sondern gibt Vorgaben für ihre Anwendung bis zur vollständigen Überprüfung der durch die Vorinstanzen erfolgten konkreten Wertermittlung (Tz. 39 ff.). Ausgangspunkt dieser Wertermittlung sind – so der BGH – die durchschnittlichen Erträge der letzten drei Kalenderjahre. Von diesen ist der Unternehmerlohn abzusetzen. Der Unternehmerlohn – hier setzt der BGH seine durch die Entscheidung vom 6.2.2008 begonnene Rechtsprechung fort – ist ein individueller, also ein Unternehmerlohn, der sich an den persönlichen Fähigkeiten des Inhabers orientiert. Auf diese Weise werde aus der Bewertung des good will der Anteil eliminiert, der auf dem persönlichen Einsatz des Inhabers beruhe und damit nicht übertragbar sei. Der Unternehmerlohn bemesse sich zunächst nach dem Tariflohn der entsprechenden Berufsgruppe (hier: eines Zahnarztes), erhöht um die Lohnnebenkosten. Als individuelles Merkmal berücksichtigt der BGH den konkreten Arbeitseinsatz des Inhabers. Denn eine Praxis, deren Erfolg auf einem hohen zeitlichen Einsatz des Inhabers beruht, ist für einen Erwerber weniger wert als diejenige, die einen geringeren Zeitaufwand erfordert. Letzterer kommt folglich ein höherer good will zu.

Diese Überlegungen, die der BGH für den zeitlichen Einsatz aufgestellt hat, lassen auch eine Bewertung des Know-how oder des Rufes eines Praxisinhabers zu. War der Praxiserfolg mit dem durchschni...

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