Der Entscheidung liegt der Fall einer gesamtschuldnerischen Verbindlichkeit von Ehegatten gegenüber einem Kreditinstitut zugrunde, zu der sich der Ehemann (M) im Alleininteresse der Ehefrau (F) mitverpflichtet hatte, um deren Immobilienerwerb zu finanzieren. Nach der Trennung stritten beide – bis zu einem Anerkenntnis der F – darum, ab wann der Befreiungsanspruch des M gegen F einsetze – mit der Trennung oder erst mit dem Scheidungsantrag. Das OLG befasste sich im Rahmen der zulasten der F ergangenen Kostenentscheidung mit den beiden Lösungswegen über §§ 670, 257, 1353 BGB und § 426 BGB.

Nachdem die Entscheidung bereits wiederholt besprochen worden ist[1] und auch eine aktuelle Publikation zum Befreiungsanspruch vorliegt[2] soll in diesem Kurzbeitrag lediglich auf ausgewählte Aspekte und das Verhältnis von Auftragsvertrag zu Gesamtschuldnerausgleich eingegangen werden.

I. Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 BGB und Aufwendungsersatz nach § 670 BGB

Die Entscheidung ist in der Literatur so verstanden worden, als habe sich das OLG zwischen zwei unterschiedlichen Rechtsfolgen des Auftrags einerseits und des Gesamtschuldnerausgleichs andererseits – zugunsten des Anspruchstellers – entschieden: Während der Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 Abs. 1 BGB auf den im Verhältnis zum Gläubiger schon fälligen Teil der Forderung beschränkt sei, müsse der Schuldnerehegatte den Gläubigerehegatte vollständig befreien, wenn er sich auf Auftragsrecht berufe, damit dieser so stehe wie er ohne die Haftungsmitübernahme stünde.[3]

Das OLG hat sich in einer solch differierenden Weise lediglich mit einer andere Frage befasst und – abweichend vom Amtsgericht – den diesbezüglichen Vortrag der Eigentümerehefrau als unerheblich angesehen: Während diese der Rechtsauffassung war, ein Freistellungsanspruch sei erst ab Zustellung des Scheidungsantrags möglich, berief sich der Ehemann auf den Tag der Trennung. Dem ist das OLG gefolgt, und allein hierin lag das völlige Obsiegen des Ehemannes begründet, welches sich im Übrigen nach einem zwischenzeitlichen Anerkenntnis der Ehefrau nur noch im Kostenausspruch ausdrückte.

Dem Befreiungsanspruch nach § 426 BGB einerseits und nach §§ 670, 257 BGB andererseits liegt – soweit es um die Anwendung bei Ehegatten geht – als übergeordneter Rechtsgedanke zugrunde, dass ein Ehegatte zugunsten des anderen nicht mehr für in dessen Interesse eingegangene Verbindlichkeiten haften soll, wenn die Ehe gescheitert ist. Bis dahin sind die Anspruchsvoraussetzungen ggf. zwar erfüllt; der Befreiungsanspruch nach § 426 BGB entsteht nämlich bereits mit der Begründung der Gesamtschuld,[4] der Aufwendungsersatzanspruch nach Auftragsrecht mit der Begründung der Haftung (= Eingehung der eigenen Verbindlichkeit).[5] Er wirkt aber zunächst nicht, besteht lediglich latent, weil er von der ehelichen Lebensgemeinschaft überlagert wird, so der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung: "Mit dem Scheitern der Ehe haben sich die für die jeweiligen Leistungen maßgeblichen Umstände … geändert; der Grund für die frühere Handhabung ist damit entfallen. Denn nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft besteht im Allgemeinen kein Anlass mehr für einen Ehegatten, dem anderen eine weitere Vermögensmehrung zukommen zu lassen, weil das Gegenseitigkeitsverhältnis, in dem die beiderseitigen Beiträge zur gemeinsamen Lebensführung gestanden haben, aufgehoben ist"[6]: Der jeweilige Anspruch wird virulent. Dies gilt auch bei einer Trennung in der Ehewohnung, welche die Voraussetzungen des § 1567 Abs. 1 S. 2 BGB erfüllt.[7] Eine etwa nachfolgende Versöhnung entfaltet keine Rückwirkung, der einmal entstandene Ausgleichsanspruch bleibt für die Zwischenzeit bestehen,[8] wenn er nicht durch eine gesonderte Vereinbarung beseitigt wird.

Der Gesamtschuldnerausgleich wird der Höhe nach dadurch umgesetzt, dass das Gesetz zunächst einmal davon ausgeht, dass die Gesamtschuld deshalb begründet wird, weil sie zu gleichen Anteilen einem gemeinsamen Interesse dient oder doch zumindest einem jeweiligen Interesse in gleicher Höhe und Wertigkeit. Die Ausgleichungspflicht besteht nämlich im Innenverhältnis zu gleichen Teilen, soweit nicht ein anderes bestimmt ist (§ 426 Abs. 1 S. 1 BGB. Eine solche Bestimmung kann sich aus dem Gesetz, aus Vertrag, aus einem anderweitig bestehenden Rechtsverhältnis der Gesamtschuldner und aus der Natur der Sache ergeben.[9] Hierbei spielt die Interessenlage eine maßgebliche Rolle.[10] So haftet wegen anderweitiger Bestimmung derjenige Ehegatte allein, für dessen Gewerbebetrieb der fragliche Kredit aufgenommen wurde.[11] Es kommt unter Ehegatten regelmäßig vor, dass selbst ein finanziell nicht leistungsfähiger Ehegatte die Mithaftung für die Rückzahlung eines dem anderen Ehegatten gewährten Darlehens allein aus emotionaler Verbundenheit übernimmt, ohne ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Darlehensgewährung zu haben.[12]

Wurde die gesamtschuldnerische Darlehensverbindlichkeit allein im Interesse des einen Ehegatten begründet...

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