ZPO § 128a § 407a Abs. 4, FamFG § 32 Abs. 3, FamGKG § 20 § 45 Abs. 1 55 Abs. 2 57

Leitsatz

1. Die Hinweispflicht des Sachverständigen nach § 407a Abs. 4 ZPO besteht in Umgangsverfahren nicht bereits dann, wenn die Kosten außer Verhältnis zum Regelwert nach § 45 FamGKG stehen, erforderlich ist vielmehr ein bei Beauftragung des Sachverständigen nicht offenkundiges Missverhältnis zwischen Bedeutung des Verfahrens und den Kosten des Gutachtens, das jedenfalls bei völlig fehlendem Umgang des Antragstellers ausscheidet (entgegen OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.6.2021 – 18 W 86/21, NZFam 2022, 30).

2. Ordnet das Gericht eine Verhandlung nach § 128a ZPO (Videoverhandlung) an, so darf es gleichwohl im Gerichtssaal erschienene Beteiligte nicht an der persönlichen Teilnahme hindern.

3. Eine materiell unrichtige, gleichwohl rechtskräftig gewordene Entscheidung führt nicht dazu, dass die gerichtlich aufgewandten Kosten auf einer unrichtigen Sachbehandlung nach § 20 FamGKG beruhen würden.

OLG Celle, Beschl. v. 4.1.2022 – 17 WF 230/21 (AG Lüneburg)

Aus den Gründen

Gründe: I. [1] Die Kindesmutter wendet sich gegen den Kostenansatz des Amtsgerichts in einem Umgangsverfahren.

[2] Der seit 2012 geschiedenen Ehe der Kindeseltern entstammt die gemeinsame Tochter A. W., geb. am xx.xx.2008, die seit 2018 überwiegend im Haushalt des Kindesvaters lebt. Nachdem Umgang mit der Kindesmutter trotz einer bestehenden gerichtlich gebilligten Vereinbarung seit 2019 nicht mehr stattgefunden hatte, hat die Kindesmutter mit Schriftsatz vom 16.4.2020 ein Umgangsverfahren eingeleitet, mit dem sie die Einrichtung einer Umgangspflegschaft begehrt hat.

[3] Das Amtsgericht – Familiengericht – L. hat im Verfahren eine Verfahrensbeiständin bestellt und ein schriftliches Sachverständigengutachten zur Frage eingeholt, ob der entgegenstehende Wille des Kindes einen dem Kindeswohl entsprechenden Umgang hindere. Im Termin zur persönlichen Anhörung der Beteiligten und der Sachverständigen hat das Amtsgericht gemäß den §§ 32 Abs. 3 FamFG, 128a ZPO die Teilnahme an einem anderen Ort nebst Übertragung der Verhandlung in Bild und Ton gestattet. Die gleichwohl zum Termin mit ihrer Verfahrensbevollmächtigten beim Gerichtssaal erschienene Kindesmutter hat das Amtsgericht auf eine Teilnahme per Video über ihr Handy verwiesen und ihr den Zutritt zum Verhandlungszimmer versagt. Mit Beschl. v. 17.2.21, den keiner der Kindeseltern angefochten hat, hat das Amtsgericht – Familiengericht – L. schließlich eine Umgangspflegschaft angeordnet, eine Umgangspflegerin bestellt und diese für berechtigt erklärt, über Beginn, Häufigkeit und Länge der Umgänge zu befinden; konkreten Umgang der Kindesmutter hat es nicht angeordnet. Die Kosten des Verfahrens hat das Amtsgericht unter den Kindeseltern gegeneinander aufgehoben und den Wert auf EUR 3.000 festgesetzt.

[4] Mit Kostenansatz vom 4.5.2021 hat das Amtsgericht die von den Kindeseltern jeweils zur Hälfte zu erstattenden Gerichtskosten mit rund EUR 10.900 bemessen. Neben der Verfahrensgebühr hat es die Vergütung der Verfahrensbeiständin mit EUR 550, eine Pauschale für die Inanspruchnahme von Videokonferenzverbindungen mit EUR 15 und die an die Sachverständige für ihr schriftliches Gutachten gezahlte Vergütung in Höhe von brutto rund EUR 9.620 für das schriftliche Gutachten sowie brutto rund EUR 610 für die Teilnahme am Anhörungstermin festgesetzt. Die dagegen gerichtete Erinnerung der Kindesmutter hat das Amtsgericht mit Beschl. v. 14.9.2021 kostenpflichtig zurückgewiesen.

[5] Gegen diesen Beschluss wendet sich die Kindesmutter mit ihrer Beschwerde. Sie ist der Meinung, die Sachverständige, deren Rechnung überhöht sei, habe das Gericht auf unverhältnismäßig hohe Kosten der Begutachtung hinweisen müssen. Darüber hinaus habe die Verfahrensbeiständin angesichts des bei ihrer Tätigkeit nicht hinreichend berücksichtigten Kindeswohls nicht vergütet werden dürfen. Die Kosten für die Videoverhandlung seien von der Kindesmutter nicht zu tragen, weil sie die Videoverhandlung nicht gewünscht habe und unter Verletzung ihres rechtlichen Gehörs an der persönlichen Teilnahme am Termin gehindert worden sei.

II. [6] Die nach § 57 Abs. 2 S. 1 FamGKG zulässige Beschwerde ist (mit Ausnahme der zu ändernden Kostenentscheidung) unbegründet. Der Kostenansatz des Amtsgerichts vom 4.5.2021, aufgrund dessen sich die von den Kindeseltern jeweils zur Hälfte zu tragenden gerichtlichen Kosten auf insgesamt EUR 10.848,25 belaufen, ist nicht zu beanstanden.

[7] 1. Die zu erstattenden Kosten der beauftragten Sachverständigen belaufen sich auf EUR 10.229,25. Die Sachverständige hat ihre Tätigkeiten in ihren Rechnungen vom 16.10.2020 (Erstellung des schriftlichen Gutachtens) und vom 17.2.2021 (Teilnahme am Anhörungstermin) im Einzelnen benannt und abgerechnet. Gegen die von der Sachverständigen gefertigte Aufstellung, die auf Grundlage des ausführlichen Gutachtens in jeder Hinsicht nachvollziehbar erscheint, hat sich die Kindesmutter auch nicht konkret gewandt. Soweit sie der Auffassung ist, für Fahrtze...

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