Vorsicht ist regelmäßig geboten bei dem Einwand der Ehefrau, ihre Depression sei durch das Verhalten des Ehemannes entstanden. Denn nach BGH ist eine solche psychische Erkrankung selbst dann nicht ehebedingt, wenn sie durch die Ehekrise oder Trennung ausgelöst worden ist.[68]

Hier ist zu beachten, dass der Ursprung der Erkrankung meist weniger in der Ehe oder der Rollenverteilung liegt, sondern in den persönlichen Umständen der Beteiligten und ihrer schicksalhaften Entwicklung,[69] sodass ein etwaiges Trennungsverschulden des anderen Ehegatten nicht erheblich ist.[70]

Selbst wenn das anders sein sollte, lässt es die Obliegenheiten zur Behandlung beim Unterhaltsbedürftigen nicht entfallen. Nicht verlassen sollte man sich auf den – von sachverständiger Seite festzustellenden – Ausnahmefall, dass der erkrankte Ehegatte so schwer gestört ist, dass er nicht zu einer Behandlung motiviert werden kann. Das ist ähnlich riskant wie ein Sich-Verlassen auf eine "pauschale Negativprognose" und das Unterlassen von Bewerbungsbemühungen.

Letzteres ist nur dann folgenlos, wenn keinerlei realistische Beschäftigungschance besteht.[71] Ansonsten können fiktive Einkünfte immer schon dann angesetzt werden, wenn nicht auszuschließen ist, dass Erwerbsbemühungen auch Erfolg gehabt hätten.[72]

Auch wenn in der Vergangenheit keine Behandlungen stattgefunden haben und das vom anderen Ehegatten während der Zeit des Zusammenlebens hingenommen wurde, werden durch die Trennung die "Karten neu gemischt" mit der Folge, dass jetzt Obliegenheiten zur Behandlung bestehen, auf die der Anwalt – schon zu seiner eigenen Absicherung – den Erkrankten hinweisen sollte.

[68] BGH NJW 2010, 2953 m. Anm. Maurer = FamRZ 2010, 1414 Rn 18, m. Anm. Borth.
[71] BGH NJW 2020, 1881 Rn 41 m. Anm. Graba = FamRZ 2020, 991; NJW 2011, 3577 Rn 14 f. m. Anm. Born = FamRZ 2011, 1851.
[72] S. dazu BGH NJW 2014, 932 Rn 13 m. Anm. Born = FamRZ 2014, 637 m. Anm. Wolf, weiter Dose in Wendl/Dose, UnterhaltsR, § 1 Rn 784; zur Durchführung von Bewerbungsbemühungen s. Born, NZFam 2014, 252.

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