Eva Becker

Wenn das Europäische Parlament eine Entschließung verfasst mit dem Titel "Zur Rolle des deutschen Jugendamts in grenzüberschreitenden Fällen", verheißt das nichts Gutes.

Dort (Entschließung vom 29.11.2018) wird zunächst erwogen:

Zitat

… C. in der Erwägung, dass das Jugendamt im deutschen Familienrecht eine zentrale Rolle spielt, da es bei allen Familienstreitigkeiten, an denen Kinder beteiligt sind, eine der Parteien ist;

D. in der Erwägung, dass das Jugendamt bei Familienstreitigkeiten, an denen Kinder beteiligt sind, eine Empfehlung an die Richter abgibt, die praktisch verbindlich ist, und vorübergehende Maßnahmen wie die Beistandschaft ergreifen kann, die nicht angefochten werden können;

E. in der Erwägung, dass es die Aufgabe des Jugendamts ist, dafür zu sorgen, dass die Entscheidungen der deutschen Gerichte umgesetzt werden; in der Erwägung, dass die 1weite Auslegung dieser Entscheidungen durch das Jugendamt dem wirksamen Schutz der Rechte nichtdeutscher Eltern den Petenten zufolge oft abträglich war; …

um sodann festzustellen:

Zitat

… 1. stellt mit großer Besorgnis fest, dass die Probleme im Zusammenhang mit dem deutschen Familienrecht, einschließlich der umstrittenen Rolle des Jugendamtes, die in Petitionen nichtdeutscher Elternteile angeprangert wurden, weiterhin ungelöst bleiben; betont, dass der Petitionsausschuss ständig Petitionen von nichtdeutschen Elternteilen erhält, in denen über schwerwiegende Diskriminierung aufgrund der von den zuständigen deutschen Behörden konkret angewandten Verfahren und Vorgehensweisen bei grenzüberschreitenden Familienstreitigkeiten, an denen Kinder beteiligt sind, berichtet wird; …

Nun kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass Deutschland ein besonders großes und beliebtes Land in der Europäischen Union ist, infolgedessen familienrechtliche Streitigkeiten unter Beteiligung des deutschen Jugendamtes europaweit relativ häufig sind, ebenso wie der Unmut von Unionsbürgern, die sich und ihre Kinder nicht diskriminierungsfrei behandelt fühlen.

Das ändert allerdings nichts daran, dass auch im nationalen Recht nicht selten Unmut aufkommt, wenn die Aktivitäten des Jugendamtes nicht hinterfragt werden können, weil der Verwaltungsrechtsweg vor Erreichen der Volljährigkeit des Kindes selten Erfolg verspricht. Es gibt der Kritik mehr, zum Teil auch deshalb, weil die Jugendämter personell nicht hinreichend für die ihnen übertragenen Aufgaben ausgestattet sind.

Wir beobachten die Entwicklung seit langem (Editorial FF 4/2012). Zu einer stärkeren Kontrolle der Instanzen der Kinder- und Jugendhilfe, wie vom Petitionsausschuss des Europaparlaments bereits 2009 gefordert (PE418.136v01-00 8/9; DT\760500DE), ist es bislang aber nicht gekommen.

Deshalb kümmern wir uns jetzt um das Thema auf dem Deutschen Anwaltstag in Leipzig und gehen dort u.a. der Frage nach, wie es um das Kindeswohl steht, wenn der Rechtsweg auseinanderklafft: "Kindeswohl und Inobhutnahme – Familiengericht vs. Verwaltungsgericht" lautet der Vortrag von Dr. Christine Hohmann-Dennhardt, Richterin des Bundesverfassungsgerichts a.D., auf den wir gespannt sind und den wir hoffentlich gemeinsam hören. Ich freue mich auf Sie!

Autor: Eva Becker

Eva Becker, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht, Berlin

FF 3/2019, S. 89

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