Kinder, deren Eltern nicht miteinander verheiratet sind oder waren, wurden bis vor kurzem nichteheliche Kinder genannt, bei Inkrafttreten des Bonner Grundgesetzes im Jahre 1949 hießen sie uneheliche Kinder.

Für diese Kinder waren die Eltern zu keiner Zeit in gleicher Weise rechtlich zuständig:

1. Bei Inkrafttreten des ersten allgemeinen deutschen Zivilrechts am 1.1.1900, des Bürgerlichen Gesetzbuchs, welches die Partikularrechte aus der Zeit vor der deutschen Reichsgründung, also vor 1871, ablöste, nahm der Vater eines unehelichen Kindes an dessen Erziehung, an Fürsorge und Versorgung in keiner Weise teil. Nach dem Gesetz galt er als mit seinem Kind nicht verwandt. Stand er als Vater fest – was mangels zuverlässiger wissenschaftlicher Untersuchungen nicht einfach war –, so schuldete er dem Kind Unterhalt, bis das Kind 16 Jahre alt war. Die Mutter erhielt keinerlei Unterstützung von dem Vater, insbesondere keinen Unterhalt, sieht man einmal davon ab, dass der Vater der Mutter die Entbindungskosten und einen Unterhalt für die ersten sechs Wochen nach der Entbindung schuldete. Wir haben vor uns das klassische Modell des bloßen Zahlvaters, des Erzeugers, der sein Kind häufig überhaupt nicht kannte, es oft auch gar nicht sehen wollte, im Übrigen hatte er auch kein Besuchsrecht, konnte sein Kind also, selbst wenn er zu dem Kind Kontakt herstellen wollte, gegen den Widerstand der Mutter nicht sehen, nicht kennen lernen.

Diese uns heute geradezu unmenschlich vorkommende Regelung hatte viele Gründe. Ihr lag die Annahme zugrunde, dass ein junger Mann aus gutem Hause sich mit einem Dienstmädchen eingelassen hatte, dessen uneheliches Balg an der Vaterfamilie auf keinen Fall partizipieren sollte, weder im persönlichen Bereich, noch vor allem im Bereich des Vermögens. Das Kind wurde deshalb rechtlich allein der Mutter zugeordnet, es erhielt deren Familiennamen, die Mutter und ihr soziales Milieu entschieden über das Aufwachsen und Fortkommen des Kindes, das Kind hatte weder zu Lebzeiten des Vaters noch nach dessen Tod Anteil an dessen Vermögen. War also die Mutter allein zuständig, so stand ihr doch nicht die elterliche Gewalt über ihr eigenes Kind zu. Sie hatte lediglich das Recht und die Pflicht, für die Person des Kindes zu sorgen, gesetzliche Vertreterin ihres Kindes war sie nicht, das Kind brauchte einen Vormund.

2. Dieser gesellschaftliche Grundkonsens überdauerte, aus unserer heutigen Sicht erstaunlicherweise, nicht nur den Ersten, sondern auch den Zweiten Weltkrieg und vier politische Systeme in Deutschland, also das Kaiserreich, die Weimarer Republik, das Hitlerregime und die Bonner Republik, also den Beginn der Bundesrepublik, ohne dass sich Entscheidendes änderte.

Erst im Jahre 1970, also gerade einmal vor 40 Jahren, schaffte der Deutsche Bundestag erste zaghafte Schritte im Verhältnis zwischen unehelichem Vater und unehelichem Kind, um diese einander rechtlich näher zu bringen.

Dies tat der Deutsche Bundestag freilich nicht freiwillig und auch nicht aus Überzeugung, sondern gezwungenermaßen: Stand doch in dem Bonner Grundgesetzt von 1949 in Art. 6 Abs. 5 der Befehl des Verfassungsgesetzgebers, dass den unehelichen Kindern durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen seien wie den ehelichen Kindern. Diesen Verfassungsauftrag auszuführen, bemühte sich der Deutsche Bundestag seit 1956, jedoch ohne durchschlagenden Erfolg. Streitig war vor allem, welche Rechtsstellung die Mutter erhalten sollte, etwa die volle elterliche Gewalt oder doch eine amtliche Mitwirkung, hier also eine Amtspflegschaft für das Kind. Ebenso streitig war die Frage, welchen Unterhalt das Kind erhalten sollte, gemessen etwa am väterlichen Standard oder an dem der Mutter? Eine dritte große Streitfrage betraf die eigene Versorgung der Mutter, also deren Unterhalt. Ein jahrelanger Beratungsmarathon im Bundestag und Bundesrat begann, der schließlich durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von Januar 1969,[4] immerhin 20 Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes, verkürzt und beendet wurde, weil das Verfassungsgericht eine Umsetzung von Art. 6 Abs. 5 GG bis zum Ende der laufenden Wahlperiode verlangte und zugleich anordnete, dass anderenfalls das entgegenstehende Familienrecht nicht mehr angewendet werden dürfe und die Rechtsprechung den Willen der Verfassung ohne entsprechende gesetzliche Regelung umzusetzen habe. Da die laufende Legislatur im Herbst 1969 endete, war also höchste Eile geboten.

Diese höchstrichterliche Ohrfeige, anders kann man es nicht ausdrücken, führte endlich dazu, dass im Laufe des Jahre 1969 das so genannte Nichtehelichengesetz im Deutschen Bundestag verabschiedet wurde, das sodann am 1.7.1970 in Kraft trat.

In diesem Gesetz war geregelt, dass Vater und Kind miteinander verwandt sind, dass das Kind, das nicht länger "unehelich", sondern "nichtehelich" hieß, nach wie vor nicht unter der elterlichen Gewalt, die später elter...

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