In seinem Urt. v. 16.7.2008 hat sich der BGH[19] mit dem Anspruch auf Betreuungsunterhalt der Mutter eines nicht ehelich geborenen Kindes nach § 1615 l BGB befasst. Der wesentliche Inhalt dieser Entscheidung lässt sich wie folgt zusammenfassen:

  1. Der Anspruch der Mutter eines nichtehelichen Kindes auf Betreuungsunterhalt nach § 1615 l Abs. 2 BGB und der Anspruch der Mutter eines ehelich geborenen Kindes auf nachehelichen Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB sind im Wesentlichen gleich ausgestaltet (Tz. 95).
  2. Die Angleichung ist nicht nach Maßgabe des früheren (großzügigen) Altersphasenmodells beim nachehelichen Betreuungsunterhalt durchgeführt worden. Stattdessen begrenzt das Gesetz auch den nachehelichen Betreuungsunterhalt regelmäßig auf die "Basiszeit" bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes; die Verlängerungsmöglichkeit aus Billigkeitsgründen ist in beiden Unterhaltstatbeständen annähernd gleich ausgestaltet (Tz. 96).
  3. Die für die Höhe des Unterhaltsbedarfs relevante Lebensstellung des Unterhaltsberechtigten, also der Bedarf ergibt sich auch im Falle eines Zusammenlebens mit dem anderen Elternteil vor der Geburt des Kindes allein aus den Einkünften, die der Elternteil ohne die Geburt des Kindes hätte. Etwaige Leistungen des anderen Elternteils im Falle des Zusammenlebens prägen keinen gemeinsamen Lebensstandard, weil diese Leistungen freiwillig sind und jederzeit eingestellt werden können (Tz. 32).
  4. Für eine Verlängerung des Anspruchs auf Betreuungsunterhalt über die "Basiszeit" von drei Jahren hinaus hat der unterhaltsberechtigte Elternteil bei beiden Unterhaltstatbeständen die Darlegungs- und Beweislast (Tz. 97).
  5. Ebenfalls für beide Tatbestände gleich ausgestaltet ist die Verlängerungsmöglichkeit aus kindbezogenen Belangen; dieser Gesichtspunkt ist im Rahmen der Verlängerungsmöglichkeit vorrangig zu berücksichtigen (Tz. 99). Kindbezogene, eine Verlängerung des Anspruchs rechtfertigende Gründe liegen insbesondere dann vor, wenn die notwendige Betreuung des Kindes auch unter Berücksichtigung staatlicher Hilfen nicht gesichert ist und der unterhaltsberechtigte Elternteil dem Kind deshalb wenigstens zeitweise auch weiterhin zur Verfügung stehen muss; mit der zunehmenden Ausweitung der Vollzeitbetreuung in Kindergärten und Ganztagsschulen verliert dieser Aspekt allerdings künftig an Bedeutung (Tz. 101). Individuelle Umstände auf Seiten des Kindes (z.B. Behinderung oder schwere Erkrankung) können dagegen eine Fortdauer des Betreuungsbedarfs begründen (Tz. 101).
  6. Daneben kommt – nur mit einem geringeren Gewicht versehen (Tz. 102) – eine Verlängerungsmöglichkeit aus elternbezogenen Gründen in Betracht. Diese können insbesondere dann vorliegen, wenn sich beim betreuenden Elternteil – entweder aus den Nachwirkungen der Ehe oder bei längerem Zusammenleben nicht verheirateter Eltern – ein Vertrauenstatbestand ergibt (Tz. 100). Der neben oder nach Erziehung und Betreuung des Kindes in staatlichen Einrichtungen auf Seiten des Elternteils verbleibende Anteil an Betreuung und Erziehung darf i.V.m. einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nicht zu einer überobligationsmäßigen Belastung dieses Elternteils führen. Selbst bei ganztägiger Betreuung des Kindes in einer öffentlichen Einrichtung kann sich bei Rückkehr in die Familienwohnung ein weiterer Betreuungsbedarf ergeben, dessen Umfang – auch altersabhängig – im Einzelfall unterschiedlich sein kann. Der notwendige persönliche Zuspruch des Elternteils erfordert einen nicht unerheblichen zusätzlichen Betreuungsaufwand. Die Frage, ob die Erwerbstätigkeit neben der verbleibenden Kindesbetreuung überobligationsmäßig ist, hängt auch von der früheren Lebensplanung und -gestaltung ab, also davon, ob der Berechtigte auch weiterhin auf eine derartige Aufgabenverteilung vertrauen durfte (Tz. 103).
  7. Ob sich aus dem Gesichtspunkt einer überobligationsmäßigen Doppelbelastung – ungeachtet des gesetzlichen Regelfalles des Betreuungsunterhalts für die "Basiszeit" von drei Jahren – Fallgruppen bilden lassen, die auf Erfahrungswerten beruhen und (z.B. in Abhängigkeit vom Kindesalter) einer gewissen Pauschalierung zugänglich sind, stellt der BGH in den Prüfungsumfang des Berufungsgerichts. Er weist aber darauf hin, dass angesichts einer zumindest eingeschränkten Erwerbsobliegenheit auch dieser Aspekt regelmäßig nicht zu einem vollen Unterhaltsanspruch führen könne (Tz. 104).
[19] XII ZR 109/05, NJW 2008, 3125 m. Bspr. Graba S. 3105 = FamRZ 2008, 1739 m. Anm. Maurer S. 1830 = FF 2008, 366 mit Anm. Viefhues.

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