Unter einem Rechtsstreit wird jedes Verfahren vor einem deutschen und gegebenenfalls auch einem ausländischen Gericht verstanden. Dieser Begriff ist weit zu fassen.[25]

Dazu zählen also nicht nur die Verfahren vor den Familiengerichten, welche durch die Trennung und Scheidung zu führen sind, sondern auch sämtliche Zivilklagen vor den ordentlichen Gerichten, den Strafgerichten, den Arbeitsgerichten, den Verwaltungsgerichten, den Finanzgerichten und den Sozialgerichten, auch vor den Verfassungsgerichten. Es kommt weder auf eine bestimmte Verfahrensform an, d.h. es werden Klagen, einstweilige Verfügungen, einstweilige Anordnungen und Arreste umfasst, noch ist die Partei- bzw. Beteiligtenrolle maßgeblich. In Strafsachen umfasst dieser Begriff außer der explizit genannten Verteidigung auch Privatklagen und Nebenklagen.

Streitig wird aber nach wie vor diskutiert, ob auch die außergerichtlichen Kosten eines Rechtsstreits von dem Anspruch auf Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses umfasst sind.

Die wohl noch herrschende Meinung lehnt dies ab.[26] Sie stützt sich dabei auf den Wortlaut des Gesetzes, welcher nur von einem "Rechtsstreit" spreche. Die außergerichtliche Verfolgung von Rechten und Ansprüchen, insbesondere die bloße Rechtsberatung durch einen Rechtsanwalt, würde von diesem Begriff nicht umfasst sein.

Diese Meinung entspricht der Definition des Begriffs "Rechtsstreit" in § 91 ZPO, wonach "Rechtsstreit" dem Erkenntnis-/Klageverfahren entspricht, zu welchem das vorangegangene Mahnverfahren, das selbstständige Beweisverfahren, das Güteverfahren usw. gehören, nicht aber die außergerichtlichen Kosten für die Geltendmachung von Forderungen, selbst wenn diese der Vorbereitung eines gerichtlichen Vergleiches gedient haben.[27]

Auch nach einer alten Definition aus dem Jahr 1841 setzte der Begriff "Rechtstreit" einen Konflikt voraus und "den Willen der Parteien, nicht im unentschiedenen Streit zu verharren, sondern ihn zu schlichten durch Rechtsspruch, um den Frieden wieder herzustellen."[28] Ein "Rechtsspruch" kann nur durch ein Gericht ergehen, und nicht durch eine außergerichtliche Einigung.

Die Ausführungen des Gesetzgebers vom 28.11.1975 zu der Änderung des § 1360a BGB[29] lassen ebenfalls durchaus den Schluss zu, dass der Begriff "Rechtstreit" in § 1360a BGB dem prozessrechtlichen Begriff in § 91a ZPO entspricht. Denn es wurde als unzumutbar gewertet, dass ein Ehegatte, der eine Klage gegen den anderen erheben will, nicht auf das Armenrecht verwiesen werden könne, wenn der andere Ehegatte leistungsfähig für die Kosten sei. Und es wurde seitens des Gesetzgebers darauf hingewiesen, dass die Verpflichtung zur Leistung eines Prozesskostenvorschusses den Unterhaltsanspruch desjenigen Ehegatten, der klagen will, nicht einschränken würde (Hervorhebungen durch die Autorin).

Da der Gesetzgeber nur von "klagen" sprach, hatte er offensichtlich nur die Zahlungsverpflichtung des leistungsfähigeren Ehegatten für die Kosten eines gerichtlichen Rechtsstreits im Blick.

Gleichzeitig führt der Gesetzgeber aber aus, dass es in den Fällen, in denen ein leistungsfähiger Ehegatte für die Kosten eines Rechtsstreits, den der andere Ehegatte führen will oder muss, aufkommen könnte, nicht gerechtfertigt erscheint, die Staatskasse mit den Kosten des Verfahrens zu belasten.

Kann ein ratsuchender Mandant die Kosten eines Anwalts nicht zahlen, weil er keine ausreichenden Einkünfte und auch kein Vermögen hat, kann er für die außergerichtliche Beratung und anwaltliche Vertretung Beratungshilfe beantragen nach § 1 BerHG.

Ein ratsuchender Mandant, welcher keinen Anspruch auf Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses hat – weil es sich ja nicht um einen Rechtsstreit, sondern "nur" um eine außergerichtliche Einforderung oder Abwehr von Ansprüchen handelt – würde nach dieser Auffassung daher Beratungshilfe trotz Leistungsfähigkeit des anderen Ehegatten oder auch der unterhaltsverpflichteten Eltern erhalten.

Nach dieser Auffassung müsste eine anwaltliche Beratung, welche vor Erhebung einer Klage immer vorausgeht, also immer von der Staatskasse finanziert werden. Würde im Rahmen der außergerichtlichen Geltendmachung eines Anspruches und/oder der Einforderung eines Verfahrenskostenvorschusses für eine beabsichtigte Klage der Rechtsstreit außergerichtlich beigelegt werden können, was in der Regel für den Mandanten auch die kostengünstigere Variante wäre, würde der Mandant Beratungshilfe für diese Tätigkeiten des Anwalts erhalten – und der Anwalt bekäme nur die niedrigen Vergütungssätze nach dem BerHG.

Damit würde entgegen der Intention des Gesetzgebers die Staatskasse doch belastet werden, und die Allgemeinheit zahlt die Kosten des Anwalts, nicht nur die Beratungsgebühr, sondern bei Geltendmachung und bei Durchsetzung des Anspruches auch die Geschäftsgebühr, vielleicht auch eine Terminsgebühr und eine Einigungsgebühr.

Der Wille des Gesetzgebers, die Staatskasse und damit die Allgemeinheit bei leistungsfähigen Ehegatten (und Eltern beim Kindesunterhalt) nicht zu...

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