Leben die Ehegatten über einen längeren Zeitraum getrennt voneinander, kann die uneingeschränkte Durchführung des Versorgungsausgleichs allein deshalb unbillig sein. Insbesondere wenn eine wirtschaftliche Verselbstständigung eingetreten ist und keine ehebedingte Bedürfnislage besteht. Es kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass eine solche wirtschaftliche Verselbstständigung eingetreten ist, wenn die Eheleute weiterhin gemeinsam steuerlich veranlagt worden sind. In diesen Fällen ist nach Ansicht des OLG Frankfurt die eheliche Versorgungsgemeinschaft nicht in vollem Umfang aufgehoben.[41]

Auch bei langer Trennungsdauer kommt ein Ausschluss des Wertausgleichs nicht immer uneingeschränkt in Betracht. Hatte der ausgleichsberechtigte Ehegatte ein gemeinsames Kind betreut, ist ein solcher Ausschluss erst ab Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes vorzunehmen.[42]

Der Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen körperlicher Übergriffe innerhalb der Ehe kommt nur dann in Betracht, wenn diese sich über einen langen Zeitraum erstrecken oder sich zwar auf einen einzigen, dann aber außergewöhnlich schwerwiegenden Vorfall beschränken. Beweispflichtig hierfür ist der Ausgleichsverpflichtete.[43]

Die uneingeschränkte Durchführung des Versorgungsausgleichs kann grob unbillig sein, wenn der Ausgleichsberechtigte seine Pflicht zum Familienunterhalt beizutragen grob verletzt hat. Hierbei reicht die bloße Nichtleistung von Unterhalt nicht aus, da diese auch auf eine fehlende Leistungsfähigkeit zurückzuführen sein kann. Es muss zusätzlich eine besondere Rücksichtslosigkeit hinsichtlich der Unterhaltspflichtverletzung hinzukommen.[44]

Das OLG Hamm stellt nochmals klar, dass nicht ohne weiteres ein Fall der groben Unbilligkeit gegeben ist, wenn nur Anrechte eines Ehegatten dem Versorgungsausgleich unterfallen, während der andere Ehegatte auf Grundlage einer Selbstständigkeit seine Altersvorsorge in Anlageformen betrieben hat, die nur güterrechtlich auszugleichen sind und die Beteiligten Gütertrennung vereinbart haben. Sind die Beteiligten mit dem Abschluss des Ehevertrages von der Halbteilung bewusst abgewichen, stellt sich die Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht als grob unbillig dar.[45]

[41] OLG Frankfurt FamRZ 2022, 955.
[42] OLG Dresden FamRZ 2022, 21.
[44] KG NZFam 2022, 991 = FF 2023, 38.
[45] OLG Hamm FamRZ 2022, 947.

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