Dem Erbrecht steht das Unterhaltsrecht zur Seite: "Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren" (§ 1601 BGB). Dabei ist die Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihren noch unselbstständigen Kindern mit der elterlichen Verantwortung verwoben: Kraft ihrer Sorgepflicht müssten die Eltern diese Kinder auch dann mit dem Lebensnotwendigen versorgen, wenn es nicht im "Unterhaltsrecht" geregelt wäre. Im Übrigen aber besteht der Verwandtenunterhalt ohne Rücksicht auf ein psycho-soziales Substrat: Die Eltern sind ihren selbstständigen Kindern gegenüber unterhaltspflichtig und umgekehrt, auch wenn völlige Entfremdung eingetreten ist.[40]

Ist diese vom Recht auferlegte Solidarität zu begründen? Es fällt auf, dass andere Länder eine so weitgehende Unterhaltspflicht nicht kennen.[41] Auch bei uns wird eine rechtspolitische Diskussion darüber geführt. Diese hat ihre ersten Früchte im Angehörigen-Entlastungsgesetz von 2019[42] gefunden, welches zwar nicht die Unterhaltspflichten verändert, aber doch die Regressmöglichkeiten des vorleistenden Sozialstaates gemindert hat.[43]

[40] Kontaktverweigerung des Unterhaltsberechtigten reicht auch für die Verwirkung nach der Härteklausel des § 1611 Ab.1 S. 1 BGB nicht aus, vgl. BGH FamRZ 2014, 541; FamRZ 2011, 1560.
[41] Vgl. I. Schwenzer, Verwandtenunterhalt und soziodemographische Entwicklung, FamRZ 1989, 685.
[42] BGBl 2019 I S. 2135.
[43] In die Gegenrichtung wirkt die Entscheidung des BGH vom 27.10.2021 – XII ZB 123/21: Die gesteigerte Unterhaltsplicht der Eltern entfällt, wenn leistungsfähige Großeltern vorhanden sind.

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