Warum wird der Wahl des Scheidungsstatuts mit diesen Ausführungen ein so großer Raum eingeräumt, obwohl in der Praxis eher die Scheidungsfolgen sowohl im Hinblick auf die (möglicherweise verschiedenen) anwendbaren Rechte als auch in der konkreten Rechtsanwendung problematisch sind? Zum einen ist trotz eines gewissen Trends zur Scheidungsfreundlichkeit der Rechtsordnungen – auch Malta hat jetzt die Möglichkeit der Ehescheidung eingeführt[36] – das Scheidungsstatut in den einzelnen Rechtsordnungen selbst innerhalb Europas sehr unterschiedlich. Man denke nur an die Voraussetzungen einer vierjährigen Trennungsfrist im irischen Recht einerseits und der praktisch sofortigen Scheidungsmöglichkeit nach schwedischem und spanischem Recht andererseits. Zum anderen bestimmt das Scheidungsstatut nach deutschem Kollisionsrecht auch die vermögensrechtlichen Scheidungsfolgen[37] außerhalb von Unterhalt und Güterrecht sowie (nach bisherigem Recht[38]) den Versorgungsausgleich. Das Recht, das auf die Scheidung anwendbar ist, kann darüber hinaus nach der über Art. 15 EuUnt-VO heranzuziehenden Regelung des Art. 8 I d HUntProt 2007 als Unterhaltsstatut für den nachehelichen Unterhalt gewählt werden. Insofern hat die Wahl des Scheidungsstatuts eine durchaus zentrale Rolle. Außerdem sind die Vorschriften über die Wahl des Scheidungsstatuts aktuelles Recht und neu – nämlich gerade erst im Juni 2012 in Kraft getreten. Die europäischen Rechtswahlmöglichkeiten im Güterrecht von Ehen und registrierten Partnerschaften sind zurzeit noch möglichen Änderungen ausgesetzt. Die Wahlmöglichkeiten für das Scheidungsstatut haben auch dafür eine gewisse Vorbildfunktion.

Schließlich möge die Vorstellung der Rechtswahlmöglichkeiten für das Scheidungsstatut als pars pro toto genommen werden. Trotz gewisser Unterschiede in den einzelnen familienrechtlichen Gebieten sind die Rechtswahlmöglichkeiten bezüglich der wählbaren Rechte, des Zeitpunktes und der Form der Rechtswahl sowie ihrer Grenzen sehr ähnlich gestaltet. Es handelt sich also um einen zukunftsträchtigen und sehr spannenden Bereich, in dem gerade für den Anwalt und Rechtsberater neue Gestaltungsmöglichkeiten und Problemlösungen eröffnet werden.

Autor: Prof. em. Dr. Dagmar Coester-Waltjen LL.M. (Univ. of Michigan), Göttingen[1]

[36] Art. 66b malt.C.C.
[37] Dies gilt auch nach der Neuregelung des Art. 17 EGBGB im Ausführungsgesetz zur Rom III-VO (oben Fn 32).
[38] Nach dem Entwurf der Europäischen Ehegüterrechts-Verordnung soll der Versorgungsausgleich vom Güterstatut erfasst werden.
[1] Um Fußnoten erweiterte Fassung des Vortrags, den die Verf. am 13.10.2012 in Dresden auf der Jubiläumsveranstaltung CoopeRAtion gehalten hat.

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