Anmerkung

Mit seiner Entscheidung vom 10.10.2012 hat der BGH eine in Rechtsprechung und Literatur bislang äußerst kontrovers diskutierte Problematik abschließend entschieden. Der vorliegende Beschluss ist dabei in mehrfacher Hinsicht ausdrücklich zu begrüßen.

Die zur Begründung der Entscheidung herangezogenen Erwägungen und hier insbesondere die aus Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte sowie dem Gesetzeszweck des § 124 Nr. 2 Alt. 1 ZPO gezogenen Schlussfolgerungen lassen keinen kritischen Ansatz zu. Die bislang für die Praxis bestehenden Unwägbarkeiten, folgend aus einer unterschiedlichen obergerichtlichen Rechtsprechung, wurden einer überzeugenden Klärung zugeführt. Jeder Antragsteller, der um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nachsucht und dabei im Zuge der Darlegung seiner Kostenarmut vorträgt, muss sich nunmehr darüber im Klaren sein, dass eine entweder bewusst oder grob nachlässig fehlerhaft gemachte Angabe zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zur Aufhebung der Prozesskostenhilfe führt und dies ausdrücklich auch dann, wenn diese Angaben letztlich nicht kausal sind für die Bewilligung der staatlichen Leistung. Ein auf der Grundlage dieser Entscheidung nunmehr klarer anwaltlicher Hinweis im Zusammenhang mit der Beantragung von Prozesskostenhilfe dürfte seine Wirkung nicht verfehlen.

Gerade das Familienrecht ist in außergewöhnlich starkem Maß mit der Prozesskosten- bzw. Verfahrenskostenhilfe verwoben. Zahlreiche berechtigte Interessen können nur deshalb gerichtlich verfolgt werden, weil die Möglichkeit der staatlichen Prozessfinanzierung eröffnet wird. Es dürfte wohl kaum ein anderes Rechtsgebiet geben, in dem die Garantie des Zugangs zum Recht – unabhängig von Einkommen und Vermögen – derart starke Bedeutung besitzt wie dies im Familienrecht der Fall ist. Umso höher ist damit aber auch die Bedeutung dieser Garantie für alle redlichen Rechtssuchenden, d.h. die klare Abgrenzung zu sonstigen Antragstellern, die zum Nachteil gerade dieser redlichen Mandanten, sich durch wahrheitswidrigen Sachvortrag wirtschaftliche Vorteile zu schaffen suchen. Dies gilt vor allem auch in der aktuellen Diskussion um die gesetzliche Neuregelung des Prozesskosten- und Beratungshilferechts.[1] Alle zum Regierungsentwurf bislang vorliegenden Stellungnahmen stimmen darin überein, dass eine missbräuchliche Inanspruchnahme der staatlichen Leistung, sei es Beratungs- oder Verfahrenskostenhilfe, verhindert werden und auch die finanziellen Belastungen der Länder durch diese Leistungen nach Möglichkeit eingegrenzt werden sollen. Ebenso einheitlich ist aber auch die Kritik an den vorgesehenen Novellierungen, die teilweise gerade an diesem Aspekt der missbräuchlichen Inanspruchnahme einer Leistung anknüpfen, dabei jedoch zulasten der mehrheitlich wirklich kostenarmen und redlichen Antragsteller deutlich über das Ziel hinausgehen. Zu denken ist hier etwa an § 117 Abs. 3 ZPO-E oder § 120a Abs. 2 i.V.m. § 124 ZPO-E.[2] Diese Regelungen basieren auf dem grundsätzlich anzuerkennenden Bestreben, den durch eine etwaige missbräuchliche Inanspruchnahme entstehenden Kosten nach Möglichkeit bereits präventiv zu begegnen. Ob die damit einhergehenden Eingriffe in Grundrechtspositionen allerdings noch als verhältnismäßig angesehen werden können, darf zumindest bezweifelt werden. In diesem Kontext ist dann aber auch die nun vorliegende Entscheidung des BGH ausdrücklich zu begrüßen. Durch ihre klare Aussage, dass eine bereits bestehende gesetzliche Regelung Sanktionscharakter besitzt im Fall absichtlicher oder grob nachlässiger Angaben des Antragstellers, dürften geplante Gesetzesnovellierungen, die inhaltlich kein anderes Ziel verfolgen, stattdessen aber mit einem unverhältnismäßigen Grundrechtseingriff verbunden sind, wohl kritisch in ihrer Notwendigkeit zu überprüfen sein. Die Entscheidung des BGH ist damit aber auch im Interesse aller redlichen kostenarmen Antragsteller, die nach wie vor die deutliche Mehrheit bei der Beantragung von Prozesskostenhilfe bilden, ausdrücklich zu begrüßen.

Monika Clausius, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht, Saarbrücken

[1] Vgl. hierzu den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Prozesskosten- und Beratungshilferechts, BT-Drucks 17/11472, S. 7 ff.
[2] Vgl. hierzu etwa die Stellungnahme des Vorstands des Deutschen Familiengerichtstags unter www.dfgt.de.

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