Die derzeitigen politischen Verhältnisse lassen keine rasche Gleichstellung Homosexueller in Adoptionssachen erwarten. Dies gilt nicht nur für die Schaffung eines gemeinsamen Adoptionsrechts eingetragener Lebenspartner, sondern auch für die dem vorgelagerte Zeichnung des geänderten Adoptionsübereinkommens des Europarats durch Deutschland. Dies ist misslich, da die Zeichnung des geänderten Übereinkommens die notwendige öffentliche politische Diskussion zu diesem Thema einleiten könnte, zumal mittlerweile auch für Deutschland die rechtstatsächlichen Untersuchungen zur Entwicklung der Kinder in Regenbogenfamilien vorliegen, deren Fehlen bislang immer Grund für das Zurückstellen einer Gleichstellung bei der gemeinsamen Adoption war.

Aus meiner Sicht war es allerdings grundsätzlich richtig, dass der Gesetzgeber im Zuge des Abbaus der Diskriminierung homosexueller Partnerschaften zunächst die Rechtsbeziehungen der Lebenspartner untereinander angegangen und die Rechtsbeziehungen zu Dritten, namentlich der Kinder, vorerst zurückgestellt hat. Denn bislang gab es eben wenige gesicherte Erkenntnisse über die Chancen und Entwicklung von Kindern, die in Regenbogenfamilien aufwachsen. Und eine Gleichstellung der Lebenspartner mit Ehegatten zu Lasten des Kindeswohls ist in jedem Fall indiskutabel.

Andererseits setzt sich zunehmend die Ansicht durch, dass maßgeblicher Gesichtspunkt für die Zulassung der Adoption allein das Kindeswohl sein sollte. Und dafür kommt es wohl tatsächlich mehr auf die Erziehungseignung und Persönlichkeit des Annehmenden an als auf seine sexuelle Orientierung.

Letztlich kann und sollte man die sich konkret stellenden Probleme daher einzelfallbezogen lösen und nicht durch einen generellen Ausschluss der Lebenspartner von der gemeinschaftlichen Fremdadoption.[58] Bei der umfassenden und zeitintensiven Eignungsprüfung, denen sich adoptionswillige Personen in Deutschland unterziehen müssen und der großen Anzahl von an sich geeigneten Adoptionsbewerbern, steht – wie bei Ehegatten – auch nicht zu befürchten, dass sich das Aufwachsen bei den im konkreten Fall von der Adoptionsvermittlungsstelle ausgewählten und vom Familiengericht nach umfassender Prüfung als geeignet angesehenen Personen später als dem Kindeswohl abträglich herausstellt.

Zum Schluss sei noch eine kurze Anmerkung zu den praktischen Auswirkungen einer etwaigen Reform erlaubt: Die Forderung nach einer Gleichstellung bei der Adoption geht einher mit der Forderung nach einer vollständigen Beseitigung jeglicher rechtlichen Diskriminierung von homosexuellen Partnerschaften. Betrachtet man, dass sich (Stand: 2008) von den rund 69.600 gleichgeschlechtlichen Paaren mit gemeinsamem Haushalt, die seit 2001 die Möglichkeit der Verpartnerung haben, tatsächlich nur 18.700 (also 27 %) verpartnert haben,[59] dann ist m.E. auch nicht unbedingt damit zu rechnen, dass die Zulassung der gemeinsamen Adoption eine "Adoptionsschwemme" eingetragener Lebenspartner auslösen wird. Konkreter Kinderwunsch und Forderung nach rechtlicher Gleichstellung müssen also nicht zwangsläufig miteinander einhergehen.

[58] So zu Recht Muscheler, FPR 2010, 227, 231.
[59] Rupp, FPR 2010, 185.

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