1. Änderung der Verhältnisse

Die Abänderungsklage nach § 323 ZPO ist der statthafte Rechtsbehelf, um Unterhaltstitel den geänderten Verhältnissen anzupassen.[2] Voraussetzung dafür ist, dass eine wesentliche Änderung der Umstände geltend gemacht wird, auf denen das Urteil oder der sonstige Schuldtitel beruht. Diese ist nicht nur bei Änderung der Tatsachenlage erfüllt, sondern auch bei einer Änderung des Gesetzes.[3] Dagegen genügt es nicht, dass lediglich die Rechtsauffassung ein andere geworden ist.[4] Eine Ausnahme gilt bei einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die einer Änderung des Gesetzes gleichkommt, etwa bei einer Beanstandung einer Normenauslegung als verfassungswidrig durch das BVerfG oder beim Übergang von der Anrechnungsmethode zur Differenzmethode bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs der Hausfrau durch den BGH.[5]

Für die Abänderung von Verträgen gelten die Regeln der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB), die eine Vertragsanpassung ähnlich wie bei einem rechtskraftfähigen Titel nach § 323 ZPO gestatten.

[2] Einzelheiten bei Graba, Die Abänderung von Unterhaltstiteln, 3. Aufl. 2004, Rn 1 ff.
[3] BGH FamRZ 1990, 1091.
[5] BGH FamRZ 2001, 986; 2005, 1979; 2007, 793 (m. Anm. Büttner) = NJW 2007, 1961 (m. Anm. Graba).

2. UÄndG 2007 als Rechtsänderung

a) Änderung der Verhältnisse

Durch die Übergangsvorschrift des § 36 EGZPO hat der Gesetzgeber bestimmt, dass alte Schuldtitel, gleich ob sie rechtskraftfähig sind oder nicht, an das neue Recht angepasst werden können.[6] Die Änderungen des BGB durch das UÄndG 2007, namentlich die verschärften Anforderungen an die Selbstverantwortung, werden als eine Gesetzesänderung eingestuft, die eine Abänderungsklage eröffnet.[7] Voraussetzung für eine Berücksichtigung vor dem Inkrafttreten entstandener Umstände ist, dass eine wesentliche Veränderung der Unterhaltsverpflichtung eintritt und die Änderung dem anderen Teil unter Berücksichtigung seines Vertrauens in die getroffene Regelung zumutbar ist. Die Bestimmungen des § 767 Abs. 2 und des § 323 Abs. 2 ZPO, die bei einem Unterhaltsurteil bereits zur Zeit des Vorverfahrens vorliegende Gründe ausschließen, sind bei der ersten Anpassung nicht anwendbar. Dies gilt indes nicht für die folgenden Verfahren. Dies bedeutet etwa, dass zuverlässig voraussehbare Begrenzungsgründe i.S.v. § 1578b BGB bereits im ersten Abänderungsverfahren nach dem 1.1.2008 zu berücksichtigen sind. Später kann eine Begrenzung nur geltend gemacht werden, wenn solche Gründe nachträglich im Sinn der §§ 323 Abs. 2, 767 Abs. 2 ZPO entstanden sind.

§ 36 EGZPO ist auch anwendbar auf Unterhaltsvereinbarungen, die nicht tituliert sind. Die Bestimmung konkretisiert insoweit § 313 BGB.[8] Zur Zeit des Abschlusses des Unterhaltsvertrags vorliegende Umstände können im ersten Abänderungsverfahren nach dem Inkrafttreten des UÄndG 2007 geltend gemacht werden, auch wenn kein beiderseitiger Irrtum nach den Regeln der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) vorliegt.

[6] Begr. RegE, BT-Drucks 16/1830 S. 32.
[7] Borth, FamRZ 2006, 813, 820.
[8] Begr. RegE BT-Drucks 16/1830 S. 33.

b) Wesentliche Änderung

Die Abänderung ist nur bei einer wesentlichen Änderung der Unterhaltsverpflichtung möglich. Für die Frage, wann eine Änderung wesentlich ist, gelten die von der Rechtsprechung bei Urteilen nach § 323 ZPO und bei Unterhaltsverträgen nach § 313 BGB entwickelten Grundsätze.[9] Es kommt darauf an, wie sich die Änderung bei einer Gesamtwürdigung aller maßgebenden Verhältnisse, auch von der Reform unabhängiger Umstände, auf das Bestehen, die Höhe oder die Dauer des im Urteil festgelegten Unterhalts auswirkt.[10] Eine starre 10 %-Grenze hat der BGH[11] abgelehnt, insbesondere bei beengten Verhältnissen. Ob die Opfergrenze für das Festhalten an einem Vertrag überschritten ist, lässt sich nur unter umfassender Würdigung aller Umstände beantworten.

[9] Dazu Graba, Abänderung, Rn 296 ff., 307 ff.
[10] BGH FamRZ 1994, 696.
[11] BGH FamRZ 1986, 790; 1992, 539.

c) Vertrauensschutz

Die Abänderung muss dem Gegner unter Berücksichtigung seines Vertrauens in die getroffene Regelung zumutbar sein. Dies bedeutet, dass das Vertrauen der anderen Partei in den Bestand der Regelung gegen das Interesse an der Anpassung an die neue Rechtslage abzuwägen ist. Dies gilt insbesondere, wenn die Unterhaltsvereinbarung Teil einer Gesamtregelung ist, die auch andere Gegenstände, wie Zugewinnausgleich oder Versorgungsausgleich, umfasst.

Die durch die alte Regelung begünstigte Partei kann indes nicht erwarten, dass ihre Position in jedem Fall gewahrt bleibt. Dies gilt etwa bei einer Konkretisierung des Betreuungsunterhalts nach § 1570 BGB a.F. gem. der Altersphasen-Rechtsprechung. Eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts über das Alter des Kindes von drei Jahren hinaus ist als Folgewirkung des Beschlusses des BVerfG vom 28.2.2007,[12] das die unterschiedliche Dauer des Betreuungsunterhalts nach § 1570 BGB a.F. bei einem ehelichen Kind und § 1615l Abs. 1 BGB a.F. bei einem nichtehelichen Kind als verfassungswidrig beanstandet hat, grundsätzlich nur soweit unbedenklich, als sie dem Kindeswohl dient (§ 1570 Abs. 1 S. 1 un...

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