Auszüge aus dem Plenarprotokoll 16/124 (13016–13026)

Brigitte Zypries, Bundesministerin der Justiz:

Die Reform des Unterhaltsrechts, die wir heute hier nach langen Diskussionen beschließen werden, hat vor allen Dingen einen großen Gewinner: Das sind die Kinder.

( … ) Die Kinder stehen künftig im ersten Rang. Sie haben Vorrang vor allen anderen.

Sie stehen im ersten Rang unabhängig davon, aus welcher Beziehung sie kommen, unabhängig davon, ob sie aus einer ehemaligen oder jetzigen Beziehung kommen, ob sie nichtehelich sind oder in einer anderen Beziehung außerhalb des Familienverbundes leben.

( … ) Wenn dann noch Geld da ist – wir reden jetzt nur von den Mangelfällen; wir reden über Verteilungsmodi, wenn das Geld nicht reicht –, stehen im zweiten Rang diejenigen Elternteile, die Kinder erziehen, und zwar nur, soweit sie Kinder erziehen. Dies ist eine neue Regelung, die Ihnen heute vorgelegt wird. Wir reagieren damit auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in der es gesagt hat: Soweit es um die Kindererziehung geht, muss es eine absolute Gleichbehandlung zwischen nichtehelichen und ehelichen Kindern geben. Die Differenz, die wir im gegenwärtigen Recht zwar schon verringert hatten, muss beseitigt werden. Es muss eine absolute Gleichbehandlung bei Kindern geben.

Wir sehen jetzt also vor, dass im zweiten Rang alle Elternteile stehen, die Kinder bis zum vollendeten dritten Lebensjahr erziehen. Diese Zeit kann verlängert werden, wenn es der Billigkeit entspricht – da geben wir Richterinnen und Richtern einen größeren Entscheidungsspielraum –, beispielsweise, wenn das Kind besonderer Zuwendung bedarf oder wenn die Kinder auf Grund der Betreuungssituation nirgendwo anders hingehen können. In solchen Fällen kann der betreuende Elternteil noch länger Unterhalt bekommen.

Mit im zweiten Rang stehen die sog. Ehepartner aus alten Ehen. Zu länger andauernden Ehen sagt man ja oft "Altehe". Auch diese werden besonders berücksichtigt.

( … ) Im dritten Rang kommen dann alle anderen. Nun gibt es in der Diskussion häufiger den Einwand, dass wir die Ehen schlechter behandeln und damit zu einer Nivellierung zwischen nichtehelichen Lebensgemeinschaften und Ehen beitragen würden. Ich möchte diesem Vorwurf gerne entgegentreten und weise darauf hin, dass wir hier und heute nur über den Betreuungsunterhalt verhandeln und nicht über die anderen Verpflichtungen reden, die sich aus einer Ehe ergeben, die aber nichts mit dem Betreuungsunterhalt zu tun haben: Der Unterhaltsanspruch bleibt weiterhin bestehen, wenn der geschiedene Ehepartner keine angemessene Arbeit finden sollte; auch im Falle von Krankheit oder in anderen, vom Gesetz ausdrücklich geregelten Fällen bleibt der Unterhaltsanspruch bestehen. Neben dem Betreuungsunterhalt gibt es also noch andere Unterhaltsformen.

Ferner haben wir eine Sondernorm aufgenommen – auch das liegt heute zur Abstimmung vor –, nach der aus Billigkeitsgründen dem Ehepartner dann weiterhin Unterhalt zugebilligt wird, wenn die Eheleute sich entsprechend verständigt haben. Wenn eine vertragliche oder quasivertragliche Verabredung über die Organisation des Familienlebens getroffen wurde, dann kann nicht einer der Partner später sagen, dass die Vereinbarungen nicht mehr gelten. Nein, so wird das nicht sein. Es gibt einen nachwirkenden Vertrauensschutz und einen Anspruch auf Geld.

Wir werden insofern eine Umstellung vornehmen, als wir die Unterhaltszahlung künftig an das steuerliche Existenzminimum koppeln. Damit tragen wir wesentlich zur Verwaltungsvereinfachung bei. In der Übergangszeit wird das Probleme bereiten, weil das steuerliche Existenzminimum im Moment unter dem Betrag liegt, der in der Tabelle, nach der der Unterhalt festgelegt wird, vorgesehen ist. Deshalb schlagen wir eine Übergangsregelung vor. Damit können wir garantieren, dass das Niveau der Unterhaltszahlungen in der Übergangszeit, also bis zur Anpassung des steuerlichen Existenzminimums im nächsten Jahr, gleich bleibt und dass niemand weniger bekommt. Ich glaube, das ist eine gute Nachricht.

Ebenso ist es eine gute Nachricht, dass wir den Unterschied zwischen Ost- und Westdeutschland aufheben und künftig in ganz Deutschland dieselben Verpflichtungen zur Unterhaltszahlung gelten.

Diese Rechtsänderung ist – das habe ich eingangs schon gesagt – vor allem eine gute Nachricht für die Kinder. Sie ist aber auch ein Zeichen dafür, dass die Koalition in der Lage ist, angemessen auf sich verändernde Familienstrukturen zu reagieren.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP):

Diese Reform des Unterhaltsrechts berührt, interessiert und betrifft sehr viele Bürgerinnen und Bürger. Von daher hat dieses Reformvorhaben einen anderen Stellenwert als manch anderes Gesetz, über das wir hier sehr intensiv beraten. Diese Reform wird nämlich auf fast alle Lebenskonstellationen einwirken.

Die FDP-Bundestagsfraktion hat sich von Anfang an dafür eingesetzt – unsere Große Anfrage liegt jetzt dreieinhalb Jahre zurück –, dass das Unterhaltsrecht an die geänderten Lebensbeding...

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