Eine Bedarfsprägung durch Einkünfte aus überobligatorischer Tätigkeit wurde vom BGH früher abgelehnt mit der Begründung, die Tätigkeit könne jederzeit aufgegeben werden.[33] Sodann setzte beim BGH eine Art "Schlingerkurs" ein: Einerseits wurden Einkünfte als Surrogat im Wege der Differenzmethode und nur anteilig berücksichtigt,[34] andererseits wurde scheinbar die Anrechnungsmethode gewählt.[35]

Im Anschluss daran kam es zu einer ausdrücklichen Änderung gegenüber der früheren Rechtsprechung: Einkünfte aus überobligatorischer Tätigkeit sind nunmehr grundsätzlich bedarfsprägend. Dabei differenziert der BGH zwischen dem Anteil, der bei der Bedürftigkeit unterhaltsrechtlich relevant ist, und dem Anteil, der nicht zu berücksichtigen ist.[36] Der BGH betont hier die Notwendigkeit der Einzelfallprüfung und die Indizwirkung einer freiwilligen Ausübung der Berufstätigkeit trotz Kindererziehung.[37]

In einer späteren Entscheidung wird weiter differenziert: Der unterhaltsrechtlich relevante Anteil ist bedarfsprägend und in die Differenzberechnung einzustellen; der unterhaltsrechtlich nicht relevante Anteil ist vollständig (bei Bedarf und Bedürftigkeit) unbeachtet zu lassen.[38]

Damit ist die – frühere – Unterscheidung danach, ob die aktuelle Tätigkeit aus freien Stücken (dann normale Tätigkeit) oder aus Not (dann überobligatorische Tätigkeit) ausgeübt wird,[39] nicht mehr erforderlich angesichts der Entscheidung des BGH, auch Einkünfte aus überobligatorischer Tätigkeit als bedarfsprägend anzusehen.[40] In der Sache schließt sich beides allerdings nicht aus: Auch ein in beengten Verhältnissen lebender Bedürftiger kann aus freien Stücken arbeiten.

[33] BGH NJW-RR 1998, 721 = FamRZ 1998, 1501 (1502).
[34] BGH NJW 2002, 217 = FamRZ 2002, 23 (24).
[35] BGH NJW 2003, 1181 = FamRZ 2003, 518 (520) m. Anm. Büttner = FPR 2003, 241 m. Anm. Graba.
[36] BGHZ 162, 384 = NJW 2005, 2145 = FamRZ 2005, 1154 m. zustimmender Anm. Gerhardt, FamRZ 2005, 1158 und ablehnender Anm. Maurer, FamRZ 2005, 1823.
[37] BGH NJW 2005, 2145 (2147) unter Ziff. 2a) aa) = FamRZ 2005, 1154.
[38] BGH NJW 2007, 1969 = FamRZ 2007, 882 (887) m. Anm. Born.
[39] So noch BGH NJW-RR 1998, 721 = FamRZ 1998, 1501; NJW 1983, 933 = FamRZ 1983, 146.
[40] Gerhardt unter Ziffer 5 in seiner Anm. zu BGH FamRZ 2005, 1154.

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