Einführung

Die diesjährige Mitgliederumfrage der AG Familienrecht fand unter dem Thema "Das Kind im Verfahren" statt. Die Anregung hierzu kam vom Beirat der FF.

Mit der Hervorhebung der Rolle des Kindes im Verfahren durch das "Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder" sollten mit der Umfrage Informationen eingeholt werden, ob und wie in den jeweiligen Gerichtsbezirken die gesetzgeberischen Anliegen bereits umgesetzt wurden.

Vor diesem Hintergrund gliedert sich die Umfrage in vier Abschnitte:

I. Verfahren der ersten Instanz

II. Verfahren der zweiten Instanz

III. Stellung des Verfahrensbeistandes

IV. Mitwirkung des Jugendamtes

Die Teilnahme von (nur) 12,7 % der Mitglieder, die die Umfrage beendeten, musste überraschen, da insbesondere Kindschaftssachen in der täglichen familienrechtlichen Tätigkeit ein erheblicher Stellenwert zukommt.

I. Das Verfahren der ersten Instanz

Gefragt wurde nach der Praxis der Kindesanhörung in Sorgerechts-, Umgangsrechts-, Kindesherausgabe-, Gewaltschutz- und Ehewohnungszuweisungsverfahren sowohl in der Hauptsache als auch in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.

Für die "klassischen" Kindschaftssachen des Sorgerechtes, Umgangsrechtes und der Kindesherausgabe war das Ergebnis eindeutig (Folie 1)[1]. In Hauptsacheverfahren zum Sorgerecht und zum Umgangsrecht gaben 93 % bzw. 89 % der Teilnehmer an der Umfrage an, dass die Kindesanhörung durch das Familiengericht immer oder häufig erfolge. Der Rest entfiel auf die möglichen Antworten "selten" oder "nie".

Auch bei der Kindesherausgabe findet ganz überwiegend (84 %) die Kindesanhörung immer oder häufig statt.

Demgegenüber sehen Familiengerichte in Hauptsacheverfahren nach dem Gewaltschutzgesetz offenbar von einer Kindesanhörung ab. Immer oder häufig werden nach Mitteilung der Teilnehmer nur in 34 % der Verfahren die Kinder angehört, 41 % gaben an, diese finde selten statt.

Noch weniger relevant scheint die Kindesanhörung in Ehewohnungsverfahren eine Rolle zu spielen. Nur 16 % der Teilnehmer berichteten von häufigen oder immer durchgeführten Kindesanhörungen in der Hauptsache. Dies musste deshalb überraschen, weil § 1361b Abs. 1 S. 2 BGB die mögliche Kindeswohlgefährdung als ein Kriterium benennt, das bei der Zuweisung der Ehewohnung zur Nutzung in der Trennungszeit zu beachten ist. Allerdings berichtete die Mehrheit der Teilnehmer, dass ihre Angaben auf weniger als 10 Verfahren in den letzten drei Jahren beruhen.

In einstweiligen Anordnungsverfahren wird offenbar die Kindesanhörung seltener durchgeführt. In Sorgerechts-, Umgangsrechts- und in Verfahren der Kindesherausgabe waren es 70 % bzw. 69 % der Teilnehmer, die eine regelmäßige oder häufige Kindesanhörung bestätigten.

In einstweiligen Anordnungsverfahren nach dem Gewaltschutzgesetz lag der Anteil regelmäßiger oder häufiger Kindesanhörung mit lediglich 25 % deutlich niedriger.

Eine weitere Frage richtete sich darauf, ob in Sorgerechts- oder Umgangsrechtsverfahren, die mit einer protokollierten Vereinbarung der Eltern endeten, das Familiengericht ebenfalls die Kindesanhörung durchführt. Insoweit bestätigten 56 % der Teilnehmer die regelmäßige oder häufige Kindesanhörung, während 29 % angaben, nur selten würden bei dieser Verfahrensbeendigung die Kinder durch das Familiengericht angehört.

In der Neufassung des § 159 Abs. 1 S. 1 FamFG sieht das Gesetz eine Anhörung des Kindes und außerdem vor, dass sich das Familiengericht "einen persönlichen Eindruck" vom Kind verschaffen soll. Eine Frage richtete sich deshalb darauf, ob die Gerichte eine Unterscheidung zwischen der Anhörung und dem persönlichen Eindruck verschaffen vornehmen. Von den Teilnehmern bestätigten 48 %, dass in der Praxis immer oder häufig unterschieden werde, wogegen 27 % angaben, dies geschehe selten und 25 % die Frage verneinten (Folie 2).

Beim Alter des Kindes, von dem an eine Anhörung stattfindet, dominierte in den Antworten die Altersgruppe 3–4 Jahre (41 %).

Anknüpfend an das "Ob" der Kindesanhörung richtete sich eine weitere Frage auf den Zeitpunkt ("Wann") (Folie 3).

Bei der Antwortmöglichkeit "vor dem ersten Erörterungstermin" bestätigten 61 % der Teilnehmer, dass die Kindesanhörung immer oder häufig schon vor dem ersten Termin stattfinde, während 27 % von seltenen Anhörungen zu diesem Zeitpunkt berichteten und 12 % mit "nie" antworteten.

Wenn die Anhörung vor dem ersten Erörterungstermin durchgeführt wird, so geschieht dies nach Mitteilung von 66 % der Teilnehmer unmittelbar vor der Verhandlung. Deutlich seltener finden offenbar Kindesanhörungen während einer Verhandlungsunterbrechung statt. Mehr als 70 % der Teilnehmer gaben an, zu diesem Zeitpunkt werde selten oder nie die Anhörung durchgeführt.

Dagegen findet die Anhörung häufiger auch nach dem Erörterungstermin statt, wie 52 % der Teilnehmer angaben.

Neben den Fragen, ob und wann, richtete sich die Umfrage auch danach, wo die Kindesanhörung stattfindet (Folie 4).

Dabei dominieren Räume im Gericht, wobei das Richterzimmer oder ein Kinderspielzimmer im Gericht in den Antworten dominierten. Dagegen findet die ...

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