1. Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung über eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts aus kindbezogenen Gründen nach § 1570 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB ist stets zunächst der individuelle Umstand zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Kindesbetreuung auf andere Weise gesichert ist oder in kindgerechten Einrichtungen gesichert werden könnte. Denn mit der Neugestaltung des nachehelichen Betreuungsunterhalts in § 1570 BGB hat der Gesetzgeber für Kinder ab Vollendung des dritten Lebensjahres den Vorrang der persönlichen Betreuung aufgegeben. Ein Altersphasenmodell, das bei der Frage der Verlängerung des Betreuungsunterhalts aus kindbezogenen Gründen allein oder wesentlich auf das Alters des Kindes abstellt, wird diesen Anforderungen nicht gerecht (BGH, Urt. v. 15.9.2010 – XII ZR 20/09, FamRZ 2010, 1880 = ZFE 2010, 467 [Viefhues] = FamRB 2010, 358 [Schwamb]).
  2. Wurde ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt gem. § 1573 Abs. 2 BGB nach Veröffentlichung des BGH-Urteils v. 12.4.2006 (FamRZ 2006, 1006) durch Urteil festgelegt, so ergibt sich weder aus der anschließenden Rechtsprechung des BGH noch aus dem Inkrafttreten des § 1578b BGB am 1.1.2008 eine wesentliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse. Auch § 36 Nr. 1 EGZPO bietet in diesem Fall keine eigenständige Abänderungsmöglichkeit. Das gilt auch dann, wenn aus der Ehe Kinder hervorgegangen sind, die von der Unterhaltsberechtigten betreut wurden (BGH, Urt. v. 29.9.2010 – XII ZR 205/08, FamRZ 2010, m. Anm. Borth = NJW 2010, 3582).
  3. Um den ehebedingten Nachteil der Höhe nach bemessen zu können, muss der Tatrichter Feststellungen zum angemessenen Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten i.S.d. § 1578b Abs. 1 S. 1 BGB und zum Einkommen treffen, das der Unterhaltsberechtigte tatsächlich erzielt bzw. gem. §§ 1574, 1577 BGB erzielen könnte. Die Differenz aus den beiden Positionen ergibt grundsätzlich den ehebedingten Nachteil. Der Unterhaltsberechtigte kann im Einzelfall seiner – sekundären – Darlegungslast genügen, wenn er vorträgt, dass in dem von ihm erlernten Beruf Gehaltssteigerungen in einer bestimmten Höhe mit zunehmender Berufserfahrung bzw. Betriebszugehörigkeit üblich sind. Bei feststehenden Nachteilen ist eine exakte Feststellung zum hypothetisch erzielbaren Einkommen des Unterhaltsberechtigten nicht notwendig. Die Tatsachengerichte können sich bei geeigneter Grundlage einer Schätzung entsprechend § 287 ZPO bedienen. Das Gericht muss in der Entscheidung jedoch die tatsächlichen Grundlagen seiner Schätzung und ihre Auswertung in objektiv nachprüfbarer Weise angeben. Bei den in § 1578b BGB aufgeführten Kriterien handelt es sich um objektive Umstände, denen kein Unwerturteil bzw. keine subjektive Vorwerfbarkeit anhaftet, weshalb im Rahmen der Abwägung des § 1578b BGB keine Aufarbeitung ehelichen Fehlverhaltens stattfindet (BGH, Beschl. v. 20.10.2010 – XII ZR 53/09, FamRZ 2010, 2059 m. Anm. Borth = NJW 2010, 3653 m. Anm. Born).
  4. Eine konkrete Bedarfsberechnung darf nicht zu einer Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes führen. Dem Verpflichteten muss deshalb zur Deckung seines Unterhaltsbedarfs mindestens ein gleich hoher Betrag verbleiben wie dem Verpflichteten (OLG Karlsruhe, Urt. v. 16.4.2010, FamRZ 2010, 1909).
  5. Ein ehebedingter Nachteil, der die Befristung des nachehelichen Unterhalts im Regelfall ausschließt, kann dem Unterhaltsberechtigten aus dem Verlust seines Unterhaltsanspruchs aus einer früheren Ehe durch Wiederheirat erwachsen (OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.3.2010 – 8 UF 173/09, FamRZ 2010, 1912; gegen das Urteil wurde Revision eingelegt, BGH XII ZR 47/10).

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