Ein Überblick aus rechtspolitischer Perspektive

I. Die Genese der Unterhaltsrechtsreform

Die gesellschaftliche Realität von Ehe und Familie hat sich in den vergangenen Jahren, vor allem in den urbanen Ballungsräumen, erheblich verändert. Vor diesem Hintergrund haben sich neue Herausforderungen und Zielsetzungen für den Gesetzgeber ergeben.

Das Unterhaltsrecht ist als Teil des Familienrechts seit 1900 im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert. Seit den späten 1960er Jahren ist es in mehreren Schritten an die gesellschaftlichen Veränderungen angepasst worden. So hat sich der Gesetzgeber 1969 mit dem Nichtehelichengesetz dem Prinzip der Gleichstellung der Ehepartner angenähert. Die Eherechtsreform von 1976 bildet eine deutliche Zäsur im Familienrecht. Diese Reform ersetzte im Scheidungsrecht das Verschuldensprinzip durch das Zerrüttungsprinzip und führte auch im Unterhaltsrecht eine Reihe von wichtigen Änderungen ein. Damals ging der Gesetzgeber noch davon aus, dass sich das Unterhaltsrecht stets am Interesse des Schwächeren – also ganz überwiegend der Frau – orientieren müsse. Sehr bald stellte sich jedoch heraus, dass die Mehrzahl der Scheidungen nach dieser Eherechtsreform von den Frauen ausging. Mit Blick auf diese Entwicklung hat der Gesetzgeber im Jahre 1986 das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz verabschiedet. Seitdem besteht die Möglichkeit, die Unterhaltsansprüche in der Höhe und in der Dauer zu beschränken – eine Möglichkeit, von der die Gerichte jedoch eher zögerlich Gebrauch gemacht haben. Im Jahre 1998 erfolgte schließlich die Kindschaftsrechtsreform, die zu einer Konkretisierung der Unterhaltsansprüche der Kinder geführt hat.

Erste Initiativen für die nun verabschiedete Reform des Unterhaltsrechts – so etwa die Entschließung des Deutschen Bundestages vom 6. Juli 2000[1] – liegen mittlerweile sieben Jahre zurück. 2005 hat das Bundesjustizministerium einen ersten Referentenentwurf vorgelegt, der aber wegen der vorgezogenen Bundestagswahlen nicht weiter verfolgt werden konnte. Nachdem CDU/CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag ein entsprechendes Vorhaben festgeschrieben hatten, konnte im Sommer 2006 schließlich der Gesetzentwurf der Bundesregierung[2] in den Bundestag eingebracht werden. Im Herbst 2006 folgten eine Sachverständigenanhörung im Rechtsausschuss und eine Reihe von Berichterstattergesprächen. Auf Grundlage der dabei gewonnenen Erkenntnisse wurden einige Modifikationen am Gesetzestext vorgenommen.

Im Frühjahr 2007 kam es zu einer Diskussion innerhalb der Koalition, ob der Gesetzentwurf alle angestrebten gesellschaftspolitischen Ziele ausgewogen widerspiegele. Ziel der Union war es in dieser Phase stets, einen möglichst gerechten Ausgleich der verschiedenen Interessen zu finden. Insbesondere in der mit viel Symbolik aufgeladenen Frage der Rangverhältnisse war es uns als Volkspartei ein wichtiges Anliegen, einen breiten Konsens zu finden. Letztendlich hat das Bundesverfassungsgericht mit seiner am 23. Mai 2007 verkündeten Entscheidung[3] den Weg vorgezeichnet, der dann im Spätsommer schließlich den Durchbruch für eine gute und umsichtige Reform ermöglicht hat.

[1] BT-Drucks 14/3781.
[2] BT-Drucks 16/1830.
[3] Beschl. v. 28. Februar 2007, NJW 2007, 1735–1741.

II. Die Grundzüge des neuen Unterhaltsrechts

Ausgehend von den gesellschaftlichen Veränderungen und im Sinne einer konsequenten Fortsetzung der skizzierten bisherigen Entwicklungen im deutschen Familienrecht ist das neue Unterhaltsrecht auf drei zentrale Ziele ausgerichtet: die Förderung des Kindeswohls, die Stärkung der nachehelichen Eigenverantwortung sowie darüber hinaus eine Vereinfachung des geltenden Rechts.

1. Erstes Ziel: Förderung des Kindeswohls

Die Förderung des Kindeswohls steht im Zentrum der Reform. Das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz sieht aus diesem Grund eine Neuregelung der Rangfolge im Mangelfall sowie eine Besserstellung nicht verheirateter Mütter und Väter vor.

a) Neue Rangfolge (§ 1609 BGB)

Die Stärkung des Kindeswohls wird vor allem durch eine Änderung der unterhaltsrechtlichen Rangfolge erreicht. Den Unterhaltsansprüchen von minderjährigen unverheirateten Kindern und von volljährigen unverheirateten Kindern, die noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet haben, im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich noch in der allgemeinen Schulausbildung befinden, wird Vorrang vor allen anderen Unterhaltsansprüchen eingeräumt. Damit soll auch die Zahl minderjähriger Sozialhilfeempfänger reduziert werden.

Unter dem Aspekt des Kindeswohls stehen darüber hinaus alle diejenigen Personen im zweiten Rang gleichberechtigt nebeneinander, die ein Kind betreuen und deshalb unterhaltsbedürftig sind. Um den Schutz der Ehe zu gewährleisten, befindet sich der Ehegatte auch mit seinen sonstigen Unterhaltsansprüchen im zweiten Rang, wenn die Ehe von langer Dauer ist oder war.

Damit geschiedene Mütter, die in rein zeitlicher Hinsicht nicht lange verheiratet waren, nicht in den 3. Rang fallen, wird der Begriff der "Ehe von langer Dauer" ergänzt und konkretisiert. Das Gesetz nennt hierzu Billigkeitskriterien, die neben der rein zeitlichen Dauer der Ehe bei der Bestimmung einer "Ehe von langer Dauer" hera...

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