Leitsatz

Verwalter als Mitstörer im Verfahren passivlegitimiert

 

Normenkette

§ 27 Abs. 2 Nr. 3 WEG, § 43 Abs. 4 Nr. 2 WEG, § 1004 BGB, § 12 FGG, § 27 FGG

 

Kommentar

1. In einer Teileigentums-Sammelgarage wurden seit Jahren zwei große gelbe und zwei graue Mülltonnen aufgestellt, die von der Gemeinschaft zur Müllentsorgung genutzt werden. Der Bruchteilsmiteigentümer an diesem Garagen-Teileigentum wurde vom Verwalter (ebenfalls Wohnungseigentümer) in Prozessstandschaft auf Zahlung rückständigen Wohngeldes in Anspruch genommen. Der Garagen-Eigentümer stellte in diesem Verfahren Gegenantrag auf Entfernung der Mülltonnen und künftige Unterlassung, dort Tonnen aufzustellen, hilfsweise es zu unterlassen, die Sammelgarage zu betreten und dort Müll zu deponieren. Durch die aufgestellten Tonnen sei die Benutzung der Pkw-Stellplätze behindert.

In den Rechtsmittelinstanzen ging es allein noch um die Zulässigkeit und Begründetheit des Gegenantrages, der vom Senat als begründet erachtet wurde; allerdings musste die Sache an das LG wegen eines absoluten Beschwerdegrundes (Verfahrensfehler) zurückverwiesen werden; das LG hatte versäumt, die restlichen Eigentümer am Verfahren zu beteiligen.

2. Ist ein Verwalter bereits aus eigenem Recht am Verfahren beteiligt, so setzt die Wirksamkeit einer Zustellung, die an ihn gem. § 27 Abs. 2 Nr. 3 WEG mit Wirksamkeit gegenüber den übrigen Eigentümern erfolgen soll, voraus, dass bei der Zustellung klargestellt wird, dass sie gleichzeitig auch an die übrigen Eigentümer gerichtet ist und damit von dem Verwalter erwartet wird, dass er die übrigen Eigentümer über das Verfahren und den anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung unterrichtet (hier nicht geschehen). Eine Ausnahme von dieser in § 43 Abs. 4 Nr. 2 WEG vorgesehenen Verfahrensweise käme nur in Betracht, wenn die übrigen Eigentümer durch die Entscheidung in ihren Rechten nicht betroffen werden könnten. Für diese Annahme reicht allein nicht aus, dass die materielle Rechtskraft der Entscheidung, die in einem Verfahren ergeht, an dem nur zwei Eigentümer beteiligt worden sind, sich nicht auf die übrigen Eigentümer erstrecken könnte.

Die verfahrensrechtliche Notwendigkeit der Beteiligung aller Eigentümer beschränkt sich also nicht auf diejenigen Fälle, in denen die materielle Rechtskraft der angestrebten Entscheidung sämtliche Wohnungseigentümer bindet. Vielmehr ist die Beteiligung aller Eigentümer darüber hinaus ein Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs und der Sachaufklärung nach § 12 FGG. Sie soll insbesondere den übrigen Eigentümern die Möglichkeit zur Beteiligung am Verfahren geben, wenn über den unmittelbaren Verfahrensgegenstand hinaus tatsächliche und rechtliche Gesichtspunkte als Vorfrage für die Entscheidung rechtlich bedeutsam werden können, durch die auch die rechtlichen Interessen der übrigen Eigentümer berührt werden können (vgl. auch BayObLG, NJW-RR 90, 660, 661; Senat OLGZ 94, 134, 138).

Die unterbliebene Beteiligung der übrigen Eigentümer am Verfahren begründet im vorliegenden Fall einen absoluten Beschwerdegrund im Sinne der § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 551 Nr. 5 ZPO, was zwingend zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache führt.

3. Der Garagen-Eigentümer war auch verfahrensrechtlich zur rechtlichen Geltendmachung der von ihm verfolgten Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche befugt ( Individualanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB). Dieser Anspruch wird nicht von gemeinschaftlicher Verwaltungszuständigkeit überlagert und setzt damit auch nicht die Ermächtigung durch Eigentümerversammlungsbeschluss voraus (h.M.).

4. Die Passivlegitimation des Verwalters im Gegenantragsverfahren ergibt sich allein daraus, dass er nach materiellem Recht ( § 1004 Abs. 1 BGB) Störer ist. Gegen ihn kann der Anspruch allein auch dann geltend gemacht werden, wenn auch die anderen Eigentümer als weitere Störer in Betracht kommen, ohne dass dem Antragsteller der Einwand rechtsmissbräuchlicher Verfahrensführung entgegengehalten werden kann. Die Beurteilung der Störereigenschaft ist damit zugleich auch ausschlaggebend für die Feststellung der Passivlegitimation (hier des Eigentümer-Verwalters).

Der Umstand, dass der Verwalter mit seinem Antrag auf Wohngeldzahlung als Verfahrensstandschafter im eigenen Namen einen der Gemeinschaft der Eigentümer zustehenden Anspruch geltend gemacht hat, hindert den Garagen-Eigentümer nicht, mit seinem Gegenantrag einen ihm zustehenden Anspruch zu verfolgen.

Störer ist sowohl derjenige, der eine Beeinträchtigung unmittelbar oder mittelbar herbeigeführt hat, als auch derjenige, der eine störende Anlage unterhält und von dessen Willen ihre Beseitigung abhängig ist.

Bei einer Mehrheit von Störern besteht der negatorische Anspruch gegen jeden Störer (nach konkretem Tatbeitrag). Von einer notwendigen Streitgenossenschaft aus materiell-rechtlichen Gründen ist in diesem Zusammenhang nicht auszugehen.

Die Anspruchsstellung ist auch nicht als unzulässige Rechtsausübung zu bewerten. Es ist vielmehr Sache der Gem...

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