Leitsatz

  1. Fassadensanierung als (nachteilige) bauliche Veränderung (in Abgrenzung zu einer modernisierenden Instandsetzung)
  2. Freistellung von einer Kostenbeteiligung
 

Normenkette

§§ 15 Abs. 2, 16 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2, 21 Abs. 3, 22 Abs. 1 WEG a. F.

 

Kommentar

  1. Es ist zwar allgemein anerkannt, dass ordnungsgemäße (modernisierende) Instandsetzungen des gemeinschaftlichen Eigentums nicht darauf beschränkt sind, bei notwendig gewordenen Renovierungsarbeiten oder Ersatzbeschaffungen lediglich den früheren Zustand wiederherzustellen. In einem gewissen Rahmen kann eine Instandsetzung über die Reproduktion hinausgehen, wenn sie die technisch bessere und wirtschaftlich sinnvollere Lösung ist und damit dem technischen Fortschritt und den allgemeinen Änderungen in den Lebensgewohnheiten und insbesondere dem Wohnverhalten Rechnung getragen wird (vgl. z. B. Gottschalg, NZM 2001, 729 m. w. N.). Im vorliegenden Fall war jedoch der Zweck der Fassadensanierung nicht eine akute Reparaturbedürftigkeit, sondern eine optische Aufwertung und Einsparung von Energiekosten durch eine bessere Wärmedämmung. Es war damit von einer baulichen Veränderung auszugehen, sodass auch die Frage, ob im Hinblick auf die Wärmedämmung eine Kosten-/Nutzen-Analyse (Amortisation) erforderlich sei, offen bleiben könne.
  2. Liegt somit eine bauliche Veränderung vor, die eine ordnungsgemäße Instandsetzung (hier: alleinige Anstricharbeiten) überschreitet, und hat ein Wohnungseigentümer der Maßnahme nicht zugestimmt, so ist er nach § 16 Abs. 3 Satz 2 WEG (a. F.) grds. nicht verpflichtet, sich an den Kosten zu beteiligen. Dies gilt im Regelfall auch dann, wenn er unvermeidbar aus der Maßnahme Nutzungen zieht, weil er hiervon wegen der Beschaffenheit der Maßnahme nicht ausgeschlossen werden kann. Würde man nämlich in einem solchen Fall den Wohnungseigentümer doch zwingen, sich voll an den Kosten zu beteiligen, müsste ihm auch ein Vetorecht gegen die Maßnahme eingeräumt werden, welches ihm § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG (a. F.) gerade nicht gibt. Die zustimmenden Eigentümer sind indessen nicht gehindert, zu gegebener Zeit Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. §§ 812 ff. BGB jedenfalls wegen evtl. ersparter Heizkosten aufgrund einer verbesserten Wärmedämmung gegen den nicht zustimmenden Eigentümer geltend zu machen (BayObLG, NJW 1981, 690 u. OLG Hamm, NZM 2002, 874 sowie Gottschalg, NZM 2004, 529). Solche Ansprüche standen jedoch vorliegend nicht zur Entscheidung an.
  3. Der grundsätzlichen Freistellung von einer Kostenbeteiligung steht auch nicht entgegen, dass ein Mehrheitsbeschluss über eine Sonderumlage mangels Anfechtung bestandskräftig geworden ist. Dieser Beschluss ist, soweit er gegen § 16 Abs. 3 Satz 2 WEG verstößt, wegen fehlender Beschlusskompetenz der Eigentümer grds. nichtig (h. M.; a. A. Bielefeld, DWE 2001, 5/11). Die Beschlusskompetenz zur Entscheidung über die Vornahme baulicher Veränderungen rechtfertigt keine andere Beurteilung, da diese Kompetenz nicht auch die Rechtsmacht umfasst, durch Beschluss die Kostentragung abweichend von § 16 Abs. 3 Satz 2 WEG a. F. zu regeln. Eine entsprechende "Annex-Kompetenz" oder "Kompetenz des Sachzusammenhangs" ist aus Gründen der Rechtssicherheit nicht gegeben. Der einer baulichen Veränderung nicht zustimmende Eigentümer muss auf die Kostenfreistellung, die ausdrücklich im Gesetz angeordnet ist und auch dem Gerechtigkeitsgebot entspricht, Vertrauen dürfen, ohne den hiervon abweichenden Wohnungseigentümerbeschluss über die bauliche Veränderung anfechten zu müssen (a. A. früher diverse obergerichtliche Rechtsprechung, die nach Auffassung des Senats mit Rücksicht auf die BGH-Entscheidung vom 20.9.2000, NJW 2000, 3500 als überholt anzusehen ist).
  4. Allerdings war der widersprechende Eigentümer anteilig zur Zahlung verpflichtet in Höhe des Betrags, der auf ihn entfallen wäre, wenn die Eigentümer als Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung nur einen Anstrich der Fassade beschlossen hätten.
Anmerkung

Beschließen nach altem Recht Eigentümer mit anerkannter Beschlusskompetenz mehrheitlich eine solche bauliche Veränderung und gehen sie vielleicht rechtsirrig von einer modernisierenden Instandsetzung aus, liegt m. E. i. d. R. einem solchen Beschluss auch die (u. U. konkludente) Willensentscheidung der Eigentümer zugrunde, dass sich im Fall einer Bestandskraft dieses Zitterbeschlusses alle Eigentümer anteilig an den Kosten dieser Modernisierung/baulichen Veränderung zu beteiligen haben. Will sich ein überstimmter Eigentümer auf Kostenfreistellung nach § 16 Abs. 3 Satz 2 WEG a. F. berufen, kann er u. U. im Beschluss selbst von bestimmten Kosten ausdrücklich freigestellt werden; andernfalls müsste er m. E. den Beschluss anfechten. Nach wie vor bin ich der Auffassung, dass sich der Grundsatz in § 16 Abs. 3, 2. Halbsatz WEG a. F. primär auf bauliche Veränderungen des Gemeinschaftseigentums durch einzelne Eigentümer bezieht. Im Fall beabsichtigter Veränderungen insbesondere zur Werterhöhung des Gemeinschaftseigentums durch eine Eigentüme...

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