Leitsatz

Vor einer größeren Instandsetzungsmaßnahme müssen grundsätzlich Schadensumfang sowie Sanierungsbedürftigkeit festgestellt werden. Zur ordnungsgemäßen Verwaltung gehört es darüber hinaus, mehrere Kostenangebote vor der Durchführung größerer Instandsetzungsmaßnahmen einzuholen.

 

Sachverhalt

Innerhalb einer Wohneigentumsanlage waren die Betonträger schadhaft. Die Gemeinschaftsordnung bestimmte, daß über die Vornahme größerer Instandsetzungsmaßnahmen die Eigentümergemeinschaft mit Stimmenmehrheit zu beschließen habe. In einer Eigentümerversammlung sollte nunmehr ein Beschluß darüber gefaßt werden, einen Sachverständigen mit der genauen Schadensermittlung zu beauftragen - im einzelnen bestand nämlich Streit, ob alle Betonträger schadhaft waren. Die Kosten für das Gutachten sollten dabei einen Betrag von 10.000 DM nicht übersteigen. Mangels erforderlicher Mehrheit beschlossen die Eigentümer dann mehrheitlich, den Verwalter unabhängig vom Vorliegen eines Sachverständigengutachten zu bevollmächtigen, eine Firma mit den Sanierungsarbeiten zu beauftragen. Einer der Wohnungseigentümer hat diesen Beschluß angefochten und ist der Auffassung, die unmittelbare Beauftragung eines Unternehmens ohne vorherige Schadensfeststellung widerspreche den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung.

 

Entscheidung

Diese Auffassung konnten die Richter hier nicht teilen. Selbstverständlich ist es bei großen Instandsetzungsmaßnahmen grundsätzlich erforderlich, daß Schadensumfang und Instandsetzungsbedarf vorher festgestellt werden. Weiter sind regelmäßig vor der Durchführung derartiger Maßnahmen auch mehrere Kostenvoranschläge einzuholen.

In diesem Fall war unter den Wohnungseigentümern unstreitig, daß die Betonsäulen sanierungsbedürftig waren, Meinungsverschiedenheiten bestanden darüber, in welchem Umfang nun genau Sanierungsbedarf bestand, also ob alle Betonsäulen sanierungsbedürftig waren. Nun waren die Richter in diesem Verfahren der Auffassung, dieser Streit sei durch den ersten Beschlußinhalt beigelegt worden. Hier nämlich waren die Wohnungseigentümer mehrheitlich der Auffassung, daß zur Feststellung der konkreten Sanierungsbedürftigkeit kein Sachverständigengutachten eingeholt werden sollte. Nach Meinung der Richter des Bayerischen Obersten Landesgerichts handelte es sich hierbei auch durchaus um einen Beschluß - um einen Eigentümerbeschluß mit negativem Inhalt - und nicht um einen sog. Nichtbeschluß. Da der Wohnungseigentümer diesen Beschluß jedoch nicht angefochten hatte, mußte dieser konsequenterweise auch bestandskräftig werden und Bindungswirkung gegenüber allen Wohnungseigentümern entfalten.

Dieses Ergebnis ist durchaus vor dem Hintergrund sachgerecht, daß ein Sachverständigengutachten über die Notwendigkeit von Sanierungsmaßnahmen ohnehin nicht notwendig und weiter mit erheblichen Kosten verbunden gewesen wäre. Denn es stand ja bereits fest, daß Sanierungsbedarf bestand - der Sanierungsbedarf jeder einzelnen Betonsäule dabei natürlich im Zuge der Sanierung erfolgen sollte. Insoweit war ein Verstoß gegen die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Verwaltung nicht gegeben.

Der anfechtende Wohnungseigentümer rügte weiter, daß ein Kostenvoranschlag nach Grundlage genauer Schadensfeststellung nicht vorlag. Dieses Argument nun kann konsequenterweise selbstverständlich hier nicht stichhaltig sein. Denn wieviele der Betonsäulen tatsächlich schadhaft waren, sollte ja erst im Zuge ihrer Sanierung ermittelt werden. Insoweit konnte nun auch keines der tatsächlich vorliegenden Kostenangebote genaue Aufschlüsse über die Details der Sanierung bieten.

 

Link zur Entscheidung

BayObLG, Beschluss vom 13.08.1998, 2Z BR 97/98

Fazit:

Die Entscheidung des BayObLG mag dem Grunde nach sicherlich überzeugen. Kurz gefaßt kann davon ausgegangen werden, daß vor größeren Instandsetzungsmaßnahmen selbstverständlich Ermittlungen hinsichtlich des genauen Schadensumfangs angestellt werden müssen und sicherlich auch Kostenvoranschläge vor deren Durchführung einzuholen sind. Von derartigen Grundsätzen muß es aber - wie vorliegend - dann Ausnahmen geben, wenn die genaue Schadenermittlung vor der Durchführung selbst, erhebliche Kosten verursachen würde und darüber hinaus die genaue Schadensfeststellung auch während der Sanierungsmaßnahmen möglich ist.

Weniger überzeugend ist die Begründung des Gerichts, in der Ablehnung der Beauftragung eines Sachverständigen bis 10.000 DM von einem Negativbeschluß auszugehen. Der eine oder andere Leser wird sich sicherlich gefragt haben, ob es richtig ist, in dieser Ablehnung einen Beschluß zu sehen, werden doch Beschlüsse immer entweder mehrheitlich oder gar einstimmig gefaßt, soweit dieses Erfordernis nicht erfüllt ist, aber eben kein Beschluß zustande gekommen ist.

Dies ist überwiegend auch richtig. Kommt eine notwendige Beschlußmehrheit nicht zustande, so ist ein Beschluß auch nicht gefaßt worden. Es handelt sich dann um einen sog. "Nichtbeschluß", der auch keinerlei Bindungswirkung entfaltet. Eine Ausnahme ergibt sich nur für Fälle, in d...

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