Entscheidungsstichwort (Thema)

Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen. Vertrag über die Vermietung von Wohnraum zwischen einem gewerblichen Vermieter und einem zu privaten Zwecken handelnden Mieter. Prüfung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel durch das nationale Gericht von Amts wegen. Vertragsstrafeklausel. Nichtigerklärung der Klausel

 

Normenkette

Richtlinie 93/13/EWG

 

Beteiligte

Dirk Frederik Asbeek Brusse

Dirk Frederik Asbeek Brusse

Katarina de Man Garabito

Jahani BV

 

Tenor

1. Die Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist dahin auszulegen, dass sie – vorbehaltlich missbräuchlicher Klauseln, die auf bindenden Rechtsvorschriften des nationalen Rechts beruhen, was zu prüfen Sache des nationalen Gerichts ist – auf einen Vertrag über die Vermietung von Wohnraum anwendbar ist, der zwischen einem Vermieter, der im Rahmen seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit handelt, und einem Mieter, der zu einem Zweck handelt, der nicht seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann, geschlossen wird.

2. Die Richtlinie 93/13 ist dahin auszulegen, dass

  • das mit der Klage eines Gewerbetreibenden gegen einen Verbraucher wegen Vertragserfüllung befasste nationale Gericht, wenn es nach innerstaatlichem Prozessrecht befugt ist, von Amts wegen zu prüfen, ob die Klausel, auf die der Antrag gestützt ist, gegen zwingende nationale Bestimmungen verstößt, auf die gleiche Weise von Amts wegen anhand der in der Richtlinie aufgestellten Kriterien zu prüfen hat, ob die Klausel missbräuchlich ist, wenn es festgestellt hat, dass sie in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt;
  • das nationale Gericht, wenn es nach innerstaatlichem Prozessrecht befugt ist, von Amts wegen eine Klausel für nichtig zu erklären, die gegen die öffentliche Ordnung oder eine zwingende gesetzliche Bestimmung, die ihrer Bedeutung nach eine solche Sanktion rechtfertigt, verstößt, eine Vertragsklausel, deren Missbräuchlichkeit es anhand der in der Richtlinie aufgestellten Kriterien festgestellt hat, grundsätzlich – nachdem es den Parteien Gelegenheit zu einer kontradiktorischen Erörterung gegeben hat – von Amts wegen für nichtig erklären muss.

3. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 ist dahin auszulegen, dass er einem nationalen Gericht, wenn es die Missbräuchlichkeit einer Vertragsstrafeklausel in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher festgestellt hat, nicht erlaubt, die in dieser Klausel dem Verbraucher auferlegte Vertragsstrafe, wie es nach dem betreffenden nationalen Recht zulässig ist, lediglich herabzusetzen, sondern es verpflichtet, die Klausel gegenüber dem Verbraucher schlicht unangewendet zu lassen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Gerechtshof te Amsterdam (Niederlande) mit Entscheidung vom 13. September 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 23. September 2011, in dem Verfahren

Dirk Frederik Asbeek Brusse,

Katarina de Man Garabito

gegen

Jahani BV

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter M. Ilešič, E. Levits und M. Safjan sowie der Richterin M. Berger (Berichterstatterin),

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Fehér und K. Szíjjártó als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. van Beek und M. Owsiany-Hornung als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. L 95, S. 29, im Folgenden: Richtlinie), insbesondere von Art. 6 Abs. 1.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Asbeek Brusse und Frau de Man Garabito einerseits und der Jahani BV (im Folgenden: Jahani) andererseits über die Zahlung durch Erstere von Mietrückständen, Vertragszinsen und -strafen, die aufgrund eines Vertrags über die Vermietung von Wohnraum geschuldet werden.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 9 und 10 der Richtlinie heißt es:

„… Käufer von Waren oder Dienstleistungen [sind] vor Machtmissbrauch des Verkäufers oder des Dienstleistungserbringers, insbesondere vor vom Verkäufer einseitig festgelegten Standardverträgen und vor dem missbräuchlichen Ausschluss von Rechten in Verträgen zu schützen.

Durch die Aufstellung einheitlicher Rechtsvorschriften auf dem Gebiet missbräuchlicher Klauseln kann der Verbraucher besser geschützt werden. Diese Vorschriften sollten für alle Verträge zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern gelten. Von dieser Richtlinie ausgenommen sind daher insbesondere Arbeitsverträge sowie Verträge auf dem Gebi...

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