Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Gemeinsame Politik im Bereich Asyl und subsidiärer Schutz. Gemeinsame Verfahren für die Zuerkennung des internationalen Schutzes. Umfassende Ex-nunc-Prüfung. Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf. Umfang der Befugnisse des erstinstanzlichen Gerichts. Fehlende Abänderungsbefugnis. Weigerung der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. gerichtsähnlichen Behörde, einer Entscheidung dieses Gerichts nachzukommen

 

Normenkette

Richtlinie 2013/32/EU Art. 46 Abs. 3; Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 47

 

Beteiligte

Torubarov

Alekszij Torubarov

Bevándorlási és Menekültügyi Hivatal

 

Tenor

Art. 46 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes ist im Licht von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass ein erstinstanzliches Gericht unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, in denen es nach Durchführung einer umfassendenEx-nunc-Prüfung aller einschlägigen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte, die von der Person, die internationalen Schutz beantragt, geltend gemacht worden sind, festgestellt hat, dass dieser Person nach den in der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vorgesehenen Kriterien aus den zur Begründung des Antrags angeführten Gründen internationaler Schutz zuzuerkennen ist, im Anschluss daran aber eine Verwaltungsstelle bzw. gerichtsähnliche Behörde eine gegenteilige Entscheidung erlässt, ohne insoweit das Eintreten neuer Umstände festzustellen, die eine neue Beurteilung des Bedürfnisses dieser Person nach internationalem Schutz rechtfertigen würden, diese nicht seinem früheren Urteil entsprechende Entscheidung abändern und durch seine eigene Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ersetzen muss, wobei es erforderlichenfalls die nationale Regelung, die ihm ein derartiges Vorgehen untersagen würde, unangewendet lässt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Pécsi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Verwaltungs- und Arbeitsgericht Pécs, Ungarn) mit Entscheidung vom 5. September 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 22. September 2017, in dem Verfahren

Alekszij Torubarov

gegen

Bevándorlási és Menekültügyi Hivatal

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta, des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Kammerpräsidentin A. Prechal, des Kammerpräsidenten M. Vilaras, der Richter A. Rosas, E. Juhász, M. Ilešič (Berichterstatter), M. Safjan, D. Šváby, C. G. Fernlund, C. Vajda und N. Piçarra, der Richterin L. S. Rossi sowie des Richters I. Jarukaitis,

Generalanwalt: M. Bobek,

Kanzler: I. Illéssy, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Januar 2019,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Torubarov, vertreten durch T. Fazekas und I. Bieber, ügyvédek,
  • der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér, G. Koós und M. M. Tátrai als Bevollmächtigte,
  • der slowakischen Regierung, vertreten durch B. Ricziová als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Condou-Durande und A. Tokár als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 30. April 2019

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 46 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. 2013, L 180, S. 60) im Licht von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Alekszij Torubarov und dem Bevándorlási és Menekültügyi Hivatal (Amt für Einwanderung und Asyl, Ungarn, im Folgenden: Einwanderungsbehörde) über die Entscheidung der Behörde, den Antrag von Herrn Torubarov auf internationalen Schutz abzulehnen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 2011/95/EU

Rz. 3

Art. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. 2011, L 337, S. 9) sieht vor:

„Zweck dieser Richtlinie ist es, Normen für die Anerkennung von Drittstaatsan...

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