Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Verkehr. Führerschein. Entziehung der Fahrerlaubnis in einem anderen als dem Ausstellermitgliedstaat. Erneuerung des Führerscheins durch den Ausstellermitgliedstaat nach der Entscheidung über die Entziehung. Keine automatische gegenseitige Anerkennung

 

Beteiligte

Stadt Karlsruhe

F

Stadt Karlsruhe

 

Tenor

Art. 2 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein sind dahin auszulegen, dass sie es einem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet dem Inhaber eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins der Klassen A und B wegen einer Zuwiderhandlung, die bei einem vorübergehenden Aufenthalt in diesem Gebiet nach der Ausstellung dieses Führerscheins stattgefunden hat, das Recht, zu fahren, aberkannt wurde, nicht verwehren, später die Anerkennung der Gültigkeit dieses Führerscheins abzulehnen, nachdem dieser gemäß Art. 7 Abs. 3 dieser Richtlinie von dem Mitgliedstaat, in dem sich der ordentliche Wohnsitz im Sinne von Art. 12 Abs. 1 dieser Richtlinie des Inhabers dieses Führerscheins befindet, erneuert wurde. Das vorlegende Gericht muss allerdings prüfen, ob gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die von den Rechtsvorschriften des erstgenannten Mitgliedstaats vorgesehenen Regeln, mit denen die Bedingungen festgelegt werden, die der Inhaber eines Führerscheins erfüllen muss, um das Recht wiederzuerlangen, in diesem Gebiet zu fahren, nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung des von der Richtlinie 2006/126 verfolgten Ziels, das in der Verbesserung der Sicherheit im Straßenverkehr besteht, angemessen und erforderlich ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesverwaltungsgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 10. Oktober 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Januar 2020, in dem Verfahren

F.

gegen

Stadt Karlsruhe

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, des Richters L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader sowie der Richter M. Safjan und N. Jääskinen (Berichterstatter),

Generalanwalt: P. Pikamäe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von F., vertreten durch Rechtsanwalt W. Säftel,
  • der spanischen Regierung, vertreten durch S. Jiménez García als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Mölls und N. Yerrell als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 1, Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 2 und Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (ABl. 2006, L 403, S. 18).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen F., einem deutschen Staatsangehörigen, der Inhaber eines in Spanien ausgestellten Führerscheins ist, und der Stadt Karlsruhe (Deutschland) über eine Entscheidung der zuständigen deutschen Behörden, mit der ihm das Recht aberkannt wurde, von diesem Führerschein im deutschen Hoheitsgebiet Gebrauch zu machen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Im zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/126 heißt es:

„Die Regelungen zum Führerschein sind wesentliche Bestandteile der gemeinsamen Verkehrspolitik, tragen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit bei und erleichtern die Freizügigkeit der Personen, die sich in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen, der den Führerschein ausgestellt hat, niederlassen. Angesichts der Bedeutung der individuellen Verkehrsmittel fördert der Besitz eines vom Aufnahmemitgliedstaat anerkannten Führerscheins die Freizügigkeit und die Niederlassungsfreiheit der Personen. …”

Rz. 4

Nach Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie werden „[d]ie von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine … gegenseitig anerkannt.”

Rz. 5

Art. 7 der Richtlinie bestimmt:

„1. Ein Führerschein darf nur an Bewerber ausgestellt werden, die

a) eine Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen sowie eine theoretische Prüfung bestanden haben und die gesundheitlichen Anforderungen nach Maßgabe der Anhänge II und III erfüllen;

e) im Hoheitsgebiet des den Führerschein ausstellenden Mitgliedstaats ihren ordentlichen Wohnsitz haben oder nachweisen können, dass sie während eines Mindestzeitraums von sechs Monaten dort studiert haben.

2. a) Ab dem 19. Januar 2013 haben die von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine der Klassen AM, A1, A2, A, B, B1 und BE eine Gültigkeitsdauer von zehn Jahren.

Die Mitgliedstaaten können diese Führerscheine auch mit einer Gültigkeitsdauer von bis zu 15 Jahren ausstellen.

3. Die Erneuerung eines Führerscheins bei Ablauf der Gültigkeitsdauer ist von Folgendem abhängig zu machen:

  1. von der anhaltenden Erfüllung der Minde...

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