Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen. Bestätigung einer gerichtlichen Entscheidung als Europäischer Vollstreckungstitel. Mindestvorschriften für Verfahren über unbestrittene Forderungen. Beklagter mit unbekannter Anschrift, der nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen ist

 

Normenkette

EGV Nr. 805/2004

 

Beteiligte

RD

RD

SC

 

Tenor

Die Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen ist dahin auszulegen, dass sie es in dem Fall, dass ein Gericht die Anschrift der beklagten Partei nicht ermitteln kann, nicht erlaubt, eine gerichtliche Entscheidung über eine Forderung, die nach einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, zu der weder die beklagte Partei noch der für das Verfahren bestellte Kurator erschienen sind, als Europäischen Vollstreckungstitel zu bestätigen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Okresní soud v Českých Budějovicích (Bezirksgericht Budweis, Tschechische Republik) mit Entscheidung vom 1. Juni 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 7. August 2018, in dem Verfahren

RD

gegen

SC

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin C. Toader sowie der Richter A. Rosas und M. Safjan (Berichterstatter),

Generalanwalt: G. Pitruzzella,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčil und A. Kasalická als Bevollmächtigte,
  • der ungarischen Regierung, vertreten durch Z. Wagner und M. Z. Fehér als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Heller und M. Šimerdová als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (ABl. 2004, L 143, S. 15).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen RD und SC, einer natürlichen Person mit unbekannter Anschrift, über eine Mietschuld.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 5, 6, 10, 12, 13 und 16 der Verordnung Nr. 805/2004 heißt es:

„(5) Der Begriff ‚unbestrittene Forderung’ sollte alle Situationen erfassen, in denen der Schuldner Art oder Höhe einer Geldforderung nachweislich nicht bestritten hat und der Gläubiger gegen den Schuldner entweder eine gerichtliche Entscheidung oder einen vollstreckbaren Titel, der die ausdrückliche Zustimmung des Schuldners erfordert, wie einen gerichtlichen Vergleich oder eine öffentliche Urkunde, erwirkt hat.

(6) Ein fehlender Widerspruch seitens des Schuldners im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b) liegt auch dann vor, wenn dieser nicht zur Gerichtsverhandlung erscheint oder einer Aufforderung des Gerichts, schriftlich mitzuteilen, ob er sich zu verteidigen beabsichtigt, nicht nachkommt.

(10) Auf die Nachprüfung einer gerichtlichen Entscheidung, die in einem anderen Mitgliedstaat über eine unbestrittene Forderung in einem Verfahren ergangen ist, auf das sich der Schuldner nicht eingelassen hat, kann nur dann verzichtet werden, wenn eine hinreichende Gewähr besteht, dass die Verteidigungsrechte beachtet worden sind.

(12) Für das gerichtliche Verfahren sollten Mindestvorschriften festgelegt werden, um sicherzustellen, dass der Schuldner so rechtzeitig und in einer Weise über das gegen ihn eingeleitete Verfahren, die Notwendigkeit seiner aktiven Teilnahme am Verfahren, wenn er die Forderung bestreiten will, und über die Folgen seiner Nichtteilnahme unterrichtet wird, dass er Vorkehrungen für seine Verteidigung treffen kann.

(13) Wegen der Unterschiede im Zivilprozessrecht der Mitgliedstaaten, insbesondere bei den Zustellungsvorschriften, müssen die Mindestvorschriften präzise und detailliert definiert sein. So kann insbesondere eine Zustellungsform, die auf einer juristischen Fiktion beruht, im Hinblick auf die Einhaltung der Mindestvorschriften nicht als ausreichend für die Bestätigung einer Entscheidung als Europäischer Vollstreckungstitel angesehen werden.

(16) Artikel 15 sollte auf Situationen Anwendung finden, in denen der Schuldner sich nicht selbst vor Gericht vertreten kann, etwa weil er eine juristische Person ist, und in denen er durch eine gesetzlich bestimmte Person vertreten wird, sowie auf Situationen, in denen der Schuldner eine andere Person, insbesondere einen Rechtsanwalt, ermächtigt hat, ihn in dem betreffenden gerichtlichen Verfahren zu vertreten.”

Rz. 4

Art. 1 „Gegenstand”) der Verordnung Nr. 805/2004 laut...

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