Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsangleichung. Marken. Voraussetzungen für den Erwerb und die Aufrechterhaltung einer Marke. Ablehnung der Eintragung oder Ungültigkeit. Begriff der ‚Bösgläubigkeit’. des Anmelders. Kenntnis des Anmelders von einer ausländischen Marke

 

Normenkette

Richtlinie 2008/95/EG Art. 4 Abs. 4 Buchst. g

 

Beteiligte

Malaysia Dairy Industries

Malaysia Dairy Industries Pte. Ltd

Ankenævnet for Patenter og Varemærker

 

Tenor

1. Art. 4 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ist dahin auszulegen, dass der Begriff „bösgläubig” im Sinne dieser Bestimmung einen selbständigen Begriff des Unionsrechts darstellt, der in der Europäischen Union einheitlich auszulegen ist.

2. Art. 4 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2008/95 ist dahin auszulegen, dass für die Feststellung der Bösgläubigkeit des Anmelders einer Marke im Sinne dieser Bestimmung alle maßgeblichen Umstände des konkreten Falles, die zum Zeitpunkt der Einreichung der Anmeldung vorlagen, zu berücksichtigen sind. Der Umstand, dass der Anmelder weiß oder wissen muss, dass ein Dritter eine Marke im Ausland, die mit der Anmeldemarke verwechselt werden kann, zum Zeitpunkt der Einreichung seiner Anmeldung benutzt, genügt allein noch nicht für die Bejahung der Bösgläubigkeit des Anmelders im Sinne dieser Bestimmung.

3. Art. 4 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2008/95 ist dahin auszulegen, dass er die Mitgliedstaaten nicht ermächtigt, eine besondere Schutzregelung für ausländische Marken einzuführen, die sich von der durch diese Bestimmung aufgestellten unterscheidet und darauf beruht, dass der Anmelder einer Marke eine ausländische Marke kannte oder hätte kennen müssen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Højesteret (Dänemark) mit Entscheidung vom 29. Juni 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Juli 2012, in dem Verfahren

Malaysia Dairy Industries Pte. Ltd

gegen

Ankenævnet for Patenter og Varemærker

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter A. Rosas, E. Juhász, D. Šváby und C. Vajda (Berichterstatter),

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Malaysia Dairy Industries Pte. Ltd, vertreten durch J. Glæsel, advokat,
  • der Kabushiki Kaisha Yakult Honsha, vertreten durch C. L. Bardenfleth, advokat,
  • der dänischen Regierung, vertreten durch V. Pasternak Jørgensen als Bevollmächtigte im Beistand von R. Holdgaard, advokat,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. Palatiello, avvocato dello Stato,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Støvlbæk und F. Bulst als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Begriffs „bösgläubig” im Sinne von Art. 4 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. L 299, S. 25).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits der Malaysia Dairy Industries Pte. Ltd (im Folgenden: Malaysia Dairy) gegen den Ankenævn for Patenter og Varemærker (Beschwerdeausschuss für Patent- und Markensachen; im Folgenden: Beschwerdeausschuss), bei dem es um die Rechtmäßigkeit einer von diesem erlassenen Entscheidung über die Aufhebung der Eintragung einer Plastikflasche als Marke mit der Begründung geht, dass Malaysia Dairy zum Zeitpunkt ihrer Anmeldung Kenntnis von der ausländischen Marke von Kabushiki Kaisha Yakult Honsha (im Folgenden: Yakult) gehabt habe.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Die Erste Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. L 40, S. 1) wurde durch die Richtlinie 2008/95, die am 28. November 2008 in Kraft trat, aufgehoben und kodifiziert.

Rz. 4

Die Erwägungsgründe 2, 4, 6 und 8 der Richtlinie 2008/35 lauten:

„(2) Das vor Inkrafttreten der Richtlinie 89/104/EWG in den Mitgliedstaaten geltende Markenrecht wies Unterschiede auf, durch die der freie Warenverkehr und der freie Dienstleistungsverkehr behindert und die Wettbewerbsbedingungen im Gemeinsamen Markt verfälscht werden konnten. Um das gute Funktionieren des Binnenmarkts sicherzustellen, war daher eine Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten erforderlich.

(4) Es erscheint nicht notwendig, die Markenrechte der Mitgliedstaaten vollständig anzugleichen. Es ist ausreichend, wenn sich die Angleichung auf diejenigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften beschränkt, die sich am unmittelbarsten auf das Funktionieren des Binnenmarkts...

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