Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Unternehmensübergang. Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer. Betrieb von Buslinien. Übernahme der Belegschaft. Keine Übernahme der Betriebsmittel. Begründung

 

Normenkette

Richtlinie 2001/23/EG Art. 1 Abs. 1

 

Beteiligte

Grafe und Pohle

Reiner Grafe

Jürgen Pohle

Südbrandenburger Nahverkehrs GmbH

OSL Bus GmbH

 

Tenor

Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen ist dahin auszulegen, dass bei der Übernahme einer Tätigkeit, deren Ausübung nennenswerte Betriebsmittel erfordert, durch eine wirtschaftliche Einheit aufgrund eines Verfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags der Umstand, dass diese Mittel, die Eigentum der die Tätigkeit zuvor ausübenden wirtschaftlichen Einheit sind, von der erstgenannten Einheit wegen rechtlicher, umweltrelevanter und technischer Vorgaben des öffentlichen Auftraggebers nicht übernommen werden, der Qualifizierung der Übernahme der Tätigkeit als Unternehmensübergang nicht notwendigerweise entgegenstehen muss, wenn andere Tatsachen, wie die Übernahme eines wesentlichen Teils der Belegschaft und die Fortsetzung der Tätigkeit ohne Unterbrechung, die Feststellung zulassen, dass die betreffende wirtschaftliche Einheit ihre Identität bewahrt, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Arbeitsgericht Cottbus – Kammern Senftenberg (Deutschland), mit Entscheidung vom 17. April 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Mai 2018, in dem Verfahren

Reiner Grafe,

Jürgen Pohle

gegen

Südbrandenburger Nahverkehrs GmbH,

OSL Bus GmbH

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Vilaras, der Richter S. Rodin und D. Šváby, der Richterin K. Jürimäe und des Richters N. Piçarra (Berichterstatter),

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. März 2019,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Südbrandenburger Nahverkehrs GmbH, vertreten durch die Rechtsanwälte A.-K. Pfeifer, M. Sandmaier und O. Grimm,
  • der OSL Bus GmbH, vertreten durch die Rechtsanwälte A. Braun und D. Ledwon,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Kellerbauer und C. Hödlmayr als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 11. Juli 2019

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (ABl. 1977, L 61, S. 26).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Reiner Grafe und Herrn Jürgen Pohle einerseits und der Südbrandenburger Nahverkehrs GmbH (im Folgenden: SBN) und der OSL Bus GmbH (im Folgenden: OSL) andererseits über die Rechtmäßigkeit ihrer Kündigung durch SBN.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

Mit der am 11. April 2001 in Kraft getretenen Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (ABl. 2001, L 82, S. 16) wird, wie im ersten Erwägungsgrund dieser Richtlinie klargestellt wird, die Richtlinie 77/187 kodifiziert.

Rz. 4

Der dritte Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/23 lautet: „Es sind Bestimmungen notwendig, die die Arbeitnehmer bei einem Inhaberwechsel schützen und insbesondere die Wahrung ihrer Ansprüche gewährleisten.”

Rz. 5

Im achten Erwägungsgrund dieser Richtlinie heißt es: „Aus Gründen der Rechtssicherheit und Transparenz war es erforderlich, den juristischen Begriff des Übergangs unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu klären. Durch diese Klärung wurde der Anwendungsbereich der Richtlinie [77/187] gemäß der Auslegung durch den Gerichtshof nicht geändert.”

Rz. 6

Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23 sieht vor:

  1. „Diese Richtlinie ist auf den Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- bzw. Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber durch vertragliche Übertragung oder durch Verschmelzung anwendbar.
  2. Vorbehaltlich Buchstabe a) und der nachstehenden Bestimmungen dieses Artikels gilt als Übergang im Sinne dieser Richtlinie der Übergang einer ihre Identität bewahrenden wirtschaftlichen Einheit im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit.

…”

Rz. 7

Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23 bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:

a) ‚Veräußerer’ ist jede ...

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