Entscheidungsstichwort (Thema)

Begriff des Arbeitnehmers. Gelegenheitsarbeit gebundener Arbeitnehmer. Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Zugang zur Berufsausbildung. Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis

 

Leitsatz (amtlich)

1.

Der Begriff des Arbeitnehmers ist nach Gemeinschaftsrecht zu bestimmen und nicht eng auszulegen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, daß jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält, wobei die Art des Rechtsverhältnisses zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber als solche unerheblich ist. Die Beschäftigungsbedingungen eines Arbeitnehmers, der durch einen Vertrag gebunden ist, der keine Garantie in bezug auf die zu leistenden Stunden bietet, mit der Folge, daß der Betroffene nur sehr wenige Tage pro Woche oder Stunden pro Tag arbeitet, der den Arbeitgeber zur Entlohnung des Arbeitnehmers und zur Gewährung von Sozialleistungen nur insoweit verpflichtet, als dieser tatsächlich gearbeitet hat, und der keine Verpflichtungen des Arbeitnehmers umfaßt, einem Abruf von seiten des Arbeitgebers nachzukommen, verbieten es nicht, den Betroffenen als Arbeitnehmer iS von Art 48 EWG-Vertrag zu betrachten, sofern es sich um die Ausübung von tatsächlichen und echten Tätigkeiten handelt und nicht um Tätigkeiten die einen so geringen Umfang haben, daß sie nur unwesentlich und untergeordnet sind.

2.

Das innerstaatliche Gericht ist berechtigt, bei der Beurteilung der Frage, ob es sich bei der von dem Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeit um eine tatsächliche und echte Tätigkeit handelt, die Unregelmäßigkeit und die beschränkte Dauer der im Rahmen eines Vertrags über Gelegenheitsarbeit tatsächlich erbrachten Leistungen zu berücksichtigen.

3.

Bei der Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft sind alle Berufstätigkeiten zu berücksichtigen, die der Betroffene im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats verrichtet hat, nicht aber Tätigkeiten, die er anderswo in der Gemeinschaft ausgeübt hat. Der Fortbestand der Eigenschaft eines Arbeitnehmer, der als solcher die durch Art 7 Abs 2 der Verordnung Nr 1612/68 gewährleisteten Vergünstigungen erhalten kann, zugunsten einer Person, die ihre Beschäftigung aufgibt, um sich einem Vollzeitstudium zu widmen, ist davon abhängig, daß ein Zusammenhang zwischen der früheren Berufstätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat und dem durchgeführten Studium besteht, es sei denn, es handelt sich um einen Wanderarbeitnehmer, der unfreiwillig arbeitslos geworden ist und den die Lage auf dem Arbeitsmarkt zu einer beruflichen Umschulung in einem anderen Berufszweig zwingt.

4.

Art 7 Abs 1 EWG-Vertrag, in dem das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit niedergelegt ist, gilt für eine finanzielle Förderung, die ein Mitgliedstaat seinen Staatsangehörigen zur Durchführung einer Berufsausbildung gewährt, nur insoweit, als diese Förderung die Kosten des Zugangs zu dieser Ausbildung decken soll. Studenten aus einem andern Mitgliedstaat haben daher Anspruch auf die gleiche Behandlung wie Studenten die Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats sind, in bezug auf alle Beihilfen für den Zugang zur Ausbildung, die die Einschreibegebühren oder andere Gebühren, insbesondere Studiengebühren, decken sollen, sie können sich auf die obengenannte Bestimmung nicht stützen, um eine Beihilfe zu den Lebenshaltungskosten zu beanspruchen.

5.

Das Verbot der Diskriminierung in bezug auf die Voraussetzungen für den Zugang zur Berufsausbildung, das sich aud den Art 7 und 128 EWG-Vertrag ergibt, impliziert, daß ein Staatsangehöriger einer Mitgliedstaats, der zu einer Berufsausbildung in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen worden ist, für die Dauer der Ausbildung über ein Aufenthaltsrecht verfügt; dieses Recht kann unabhängig von der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis durch den Aufnahmemitgliedstaat ausgeübt werden. Das Aufenthaltsrecht eines Studenten der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, ist jedoch auf das beschränkt, was erforderlich ist, damit der Betroffene eine Berufsausbildung absolvieren kann, und kann daher zeitlich auf die Dauer des absolvierten Studiums beschränkt und nur für dieses Studiums erteilt oder von Voraussetzungen abhängig gemacht werden, die sich aus den berechtigten Interessen des Mitgliedstaats ergeben wie zB die Deckung der Kosten für Lebensunterhalt und Krankenversicherung, für die das Verbot der Diskriminierung beim Zugang zur Berufsausbildung nicht gilt.

6.

Es stellt eine nach Art 7 EWG-Vertrag verbotene Diskriminierung dar, wenn ein Mitgliedstaat von einem Studenten, der Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaat ist und dem nach Gemeinschaftsrecht ein Recht auf Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat zusteht, als Voraussetzung für den Anspruch auf Studienfinanzierung den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis verlangt.

 

Normenkette

EWGVtr Art. 48; EWGV 1612/68 Art. 7 Abs. 2; EWGVtr Art. 7 Abs. 1

 

Beteiligte

V. J. M. Raulin

Minister van Onde...

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