Entscheidungsstichwort (Thema)

Öffentliche Aufträge. Richtlinie 89/665/EWG. Art. 2 Abs. 8. Für Nachprüfungsverfahren zuständige Instanz, die kein Gericht ist. Aufhebung der Zuschlagsentscheidung des öffentlichen Auftraggebers. Möglichkeit des öffentlichen Auftraggebers, diese Aufhebung vor einer gerichtlichen Instanz anzufechten

 

Beteiligte

Symvoulio Apochetefseon Lefkosias

Symvoulio Apochetefseon Lefkosias

Anatheoritiki Archi Prosforon

 

Tenor

Art. 2 Abs. 8 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er für die Mitgliedstaaten keine Verpflichtung schafft, auch zugunsten öffentlicher Auftraggeber gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Entscheidungen der für Nachprüfungsverfahren auf dem Gebiet der Vergabe öffentlicher Aufträge zuständigen Grundinstanzen, die keine Gerichte sind, vorzusehen. Diese Bestimmung hindert die Mitgliedstaaten jedoch nicht daran, in ihren jeweiligen Rechtsordnungen gegebenenfalls einen derartigen Rechtsschutz zugunsten öffentlicher Auftraggeber vorzusehen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Anotato Dikastirio tis Kypriakis Dimokratias (Zypern) mit Entscheidung vom 27. November 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Dezember 2008, in dem Verfahren

Symvoulio Apochetefseon Lefkosias

gegen

Anatheoritiki Archi Prosforon

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters D. Šváby, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Juhász (Berichterstatter) und J. Malenovský,

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

auf das schriftliche Verfahren und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. März 2010,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • des Symvoulio Apochetefseon Lefkosias, vertreten durch A. Aimilianidis und P. Christofidis, dikigoroi,
  • der Anatheoritiki Archi Prosforon, vertreten durch K. Lykourgos, A. Pantazi-Lamprou und M. Theoklitou als Bevollmächtigte,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Konstantinidis und I. Chatzigiannis als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 1. Juni 2010

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 8 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (ABl. L 395, S. 33) in der durch die Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 (ABl. L 209, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 89/665).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Symvoulio Apochetefseon Lefkosias (Stadtentwässerungsamt Lefkosia, im Folgenden: Symvoulio), einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die die Eigenschaft eines öffentlichen Auftraggebers hat, und der Anatheoritiki Archi Prosforon (Nachprüfungsbehörde für öffentliche Aufträge), einer Verwaltungsbehörde, deren Aufgabe in der Prüfung von Anträgen auf Nachprüfung der Entscheidungen öffentlicher Auftraggeber über Angebote besteht, wegen des Rechts des Symvoulio, eine von der Anatheoritiki Archi Prosforon getroffene Entscheidung vor einer gerichtlichen Instanz anzufechten.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Im ersten Erwägungsgrund der Richtlinie 89/665 wird festgestellt, dass die Richtlinien über öffentliche Aufträge keine spezifischen Vorschriften enthalten, mit denen sich ihre tatsächliche Anwendung sicherstellen lässt.

Rz. 4

Der dritte Erwägungsgrund sieht vor:

„Die Öffnung des öffentlichen Auftragswesens für den gemeinschaftsweiten Wettbewerb setzt eine beträchtliche Verstärkung der Garantien im Bereich der Transparenz und der Nichtdiskriminierung voraus; damit diese Öffnung konkret umgesetzt werden kann, müssen, für den Fall von Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die einzelstaatlichen Vorschriften, die in Umsetzung dieses Rechts ergangen sind, Möglichkeiten einer wirksamen und raschen Nachprüfung bestehen.”

Rz. 5

Im vierten Erwägungsgrund dieser Richtlinie heißt es:

„Der Umstand, dass in einigen Mitgliedstaaten keine wirksamen oder nur unzulängliche Nachprüfungsverfahren bestehen, hält die Unternehmen der Gemeinschaft davon ab, sich um Aufträge in dem Staat des jeweiligen öffentlichen Auftraggebers zu bewerben. Deshalb müssen die betreffenden Mitgliedstaaten Abhilfe schaffen.”

Rz. 6

Der siebte Erwägungsgrund der Richtlinie lautet:

„Wenn die Unternehmen selbst kein Nachprüfungsverfahren anstrengen, können bestimmte Verstöße nur beseiti...

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