Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Massenentlassungen. Begriff ‚Entlassungen’. Gleichstellung von ‚Beendigungen des Arbeitsvertrags …, die auf Veranlassung des Arbeitgebers … erfolgen’ mit Entlassungen. Einseitige Änderung der Arbeits- und Entgeltbedingungen durch den Arbeitgeber

 

Normenkette

Richtlinie 98/59/EG Art. 1 Abs. 1

 

Beteiligte

Socha u.a

Halina Socha

Dorota Olejnik

Anna Skomra

Szpital Specjalistyczny im. A. Falkiewicza we Wrocławiu

 

Tenor

Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen sind dahin auszulegen, dass ein Arbeitgeber die in Art. 2 dieser Richtlinie vorgesehenen Konsultationen durchzuführen hat, wenn er beabsichtigt, einseitig und zulasten der Arbeitnehmer eine Änderung der Entgeltbedingungen vorzunehmen, die, wenn ihre Annahme von den Arbeitnehmern abgelehnt wird, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Folge hat, soweit die in Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie aufgestellten Voraussetzungen erfüllt sind. Dies zu prüfen, ist Sache des vorlegenden Gerichts.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sad Rejonowy dla Wrocławia-Řródmiescia we Wrocławiu (Rayongericht Wrocław/Breslau Stadtmitte, Polen) mit Entscheidung vom 17. Februar 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 14. März 2016, in dem Verfahren

Halina Socha,

Dorota Olejnik,

Anna Skomra

gegen

Szpital Specjalistyczny im. A. Falkiewicza we Wrocławiu

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin M. Berger sowie der Richter A. Borg Barthet und F. Biltgen (Berichterstatter),

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • des Szpital Specjalistyczny im. A. Falkiewicza we Wrocławiu, vertreten durch I. Walczak-Kozioł, radca prawny,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Owsiany-Hornung und M. Kellerbauer als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (ABl. 1998, L 225, S. 16).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Halina Socha, Dorota Olejnik und Anna Skomra auf der einen und ihrem Arbeitgeber, dem Szpital Specjalistyczny im. A. Falkiewicza we Wrocławiu (Fachkrankenhaus A. Falkiewicz, Breslau, Polen) (im Folgenden: Fachkrankenhaus A. Falkiewicz), auf der anderen Seite wegen der Einstufung der ihnen gegenüber vom Fachkrankenhaus A. Falkiewicz ausgesprochenen Änderungskündigungen als „Entlassung” oder als eine einer Entlassung gleichgestellten „[Beendigung] des Arbeitsvertrags …, die auf Veranlassung des Arbeitgebers und aus einem oder mehreren Gründen, die nicht in der Person der Arbeitnehmer liegen, [erfolgt]”.

Rechtlicher Rahmen

Richtlinie 98/59

Rz. 3

In Art. 1 („Begriffsbestimmungen und Anwendungsbereich”) der Richtlinie 98/59 heißt es:

„(1) Für die Durchführung dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:

a) ‚Massenentlassungen’ sind Entlassungen, die ein Arbeitgeber aus einem oder mehreren Gründen, die nicht in der Person der Arbeitnehmer liegen, vornimmt und bei denen – nach Wahl der Mitgliedstaaten – die Zahl der Entlassungen

i) entweder innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen

  • mindestens 10 in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 100 Arbeitnehmern,
  • mindestens 10 v. H. der Arbeitnehmer in Betrieben mit in der Regel mindestens 100 und weniger als 300 Arbeitnehmern,
  • mindestens 30 in Betrieben mit in der Regel mindestens 300 Arbeitnehmern,

ii) oder innerhalb eines Zeitraums von 90 Tagen mindestens 20, und zwar unabhängig davon, wie viele Arbeitnehmer in der Regel in dem betreffenden Betrieb beschäftigt sind,

beträgt;

b) ‚Arbeitnehmervertreter’ sind die Arbeitnehmervertreter nach den Rechtsvorschriften oder der Praxis der Mitgliedstaaten.

Für die Berechnung der Zahl der Entlassungen gemäß Absatz 1 Buchstabe a) werden diesen Entlassungen Beendigungen des Arbeitsvertrags gleichgestellt, die auf Veranlassung des Arbeitgebers und aus einem oder mehreren Gründen, die nicht in der Person der Arbeitnehmer liegen, erfolgen, sofern die Zahl der Entlassungen mindestens fünf beträgt.

(2) Diese Richtlinie findet keine Anwendung auf

b) Arbeitnehmer öffentlicher Verwaltungen oder von Einrichtungen des öffentlichen Rechts (oder in Mitgliedstaaten, die diesen Begriff nicht kennen, von gleichwertigen Stellen).”

Rz. 4

Art. 2 der Richtlinie 98/59 bestimmt:

„(1) Beabsichtigt ein Arbeitgeber, Massenentlassungen vorzunehmen, so hat er die Arbeitnehmervertreter rechtzeitig zu konsultieren, um zu ei...

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