Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Freier Dienstleistungsverkehr. Art. 49 EG. Anhang XII der Beitrittsakte. Liste nach Artikel 24 der Beitrittsakte: Polen. Kapitel 2 Nr. 13. Möglichkeit für die Bundesrepublik Deutschland, von Art. 49 Abs. 1 EG abzuweichen. Stillhalteklausel. Vereinbarung zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Polen vom 31. Januar 1990 über die Entsendung von Arbeitnehmern polnischer Unternehmen zur Ausführung von Werkverträgen. Ausschluss der Möglichkeit für in anderen Mitgliedstaaten ansässige Unternehmen, mit polnischen Unternehmen Werkverträge über die Ausführung von Arbeiten in Deutschland abzuschließen. Ausweitung der zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Beitrittsvertrags bestehenden Beschränkungen des Zugangs polnischer Arbeitnehmer zum deutschen Arbeitsmarkt

 

Beteiligte

Kommission / Deutschland

Europäische Kommission

Bundesrepublik Deutschland

 

Tenor

1. Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49 EG verstoßen, dass sie in ihrer Verwaltungspraxis den Begriff „Unternehmen der anderen Seite” in Art. 1 Abs. 1 der Vereinbarung zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Polen vom 31. Januar 1990 über die Entsendung von Arbeitnehmern polnischer Unternehmen zur Ausführung von Werkverträgen in der am 1. März und am 30. April 1993 geänderten Fassung als „deutsches Unternehmen” auslegt.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Europäische Kommission und die Bundesrepublik Deutschland tragen ihre eigenen Kosten.

4. Die Republik Polen trägt ihre eigenen Kosten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 5. Dezember 2007,

Europäische Kommission, vertreten durch E. Traversa und P. Dejmek als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

unterstützt durch

Republik Polen, vertreten durch M. Dowgielewicz als Bevollmächtigten,

Streithelferin,

gegen

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch J. Möller, M. Lumma und C. Blaschke als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Zweiten Kammer J. N. Cunha Rodrigues (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer sowie der Richter A. Rosas, U. Lõhmus, A. Ó Caoimh und A. Arabadjiev,

Generalanwalt: J. Mazák,

Kanzler: R. Grass,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 30. September 2009

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49 EG und gegen die Stillhalteklausel in Kapitel 2 Nr. 13 des Anhangs XII der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. 2003, L 236, S. 33, im Folgenden: Beitrittsakte) verstoßen hat, dass sie

  • in ihrer administrativen Praxis den Begriff „Unternehmen der anderen Seite” in Art. 1 Abs. 1 der Vereinbarung zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Polen vom 31. Januar 1990 über die Entsendung von Arbeitnehmern polnischer Unternehmen zur Ausführung von Werkverträgen in der am 1. März und am 30. April 1993 geänderten Fassung (BGBl. 1993 II, S. 1125, im Folgenden: deutsch-polnische Vereinbarung) als „deutsches Unternehmen” auslegt und
  • nach der im Merkblatt 16a der Bundesagentur für Arbeit („Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer aus den neuen Mitgliedstaaten der EU im Rahmen von Werkverträgen in der Bundesrepublik Deutschland”, im Folgenden: Merkblatt 16a) enthaltenen sogenannten Arbeitsmarktschutzklausel die regionalen Beschränkungen für den Zugang von Arbeitnehmern nach dem 16. April 2003, d. h. nach dem Tag der Unterzeichnung des Vertrags über den Beitritt der Republik Polen zur Europäischen Union (ABl. 2003, L 236, S. 17, im Folgenden: Beitrittsvertrag), ausgedehnt hat.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

Beitrittsakte

Rz. 2

Art. 24 der Beitrittsakte bestimmt:

„Die in den Anhängen V, VI, VII, VIII, IX, X, XI, XII, XIII und XIV zu dieser Akte aufgeführten Maßnahmen finden auf die neuen Mitgliedstaaten unter den in diesen Anhängen festgelegten Bedingungen Anwendung.”

Rz. 3

Anhang XII der Beitrittsakte ist mit „Liste nach Artikel 24 der Beitrittsakte: Polen” überschrieben. Kapitel 2 („Freizügigkeit”) dieses Anhangs enthält eine Nr. 13, in der es heißt:

„Um tatsächlichen oder drohenden schwerwiegenden Störungen in bestimmten empfindlichen Dienstleistungssektoren auf ihren Arbeitsmärkten zu begegnen, die sich in bestimmten Gebieten aus der länderübergreifenden Erbringung v...

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