Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen. Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung. Gründe für die Nichtanerkennung. Art. 34 Nr. 3. Entscheidung, die mit einer zuvor in dem Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, zwischen denselben Parteien ergangenen Entscheidung unvereinbar ist. Voraussetzungen. Beachtung der Bestimmungen und der grundlegenden Ziele der Verordnung Nr. 44/2001 durch die zuvor entsprechend einem Schiedsspruch ergangene Entscheidung. Anerkennung, die der öffentlichen Ordnung des Mitgliedstaats, in dem sie geltend gemacht wird, offensichtlich widersprechen würde

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 44/2001 Art. 34 Nr. 1

 

Beteiligte

London Steam-Ship Owners’ Mutual Insurance Association

London Steam-Ship Owners’ Mutual Insurance Association Limited

Kingdom of Spain

 

Tenor

1. Art. 34 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass ein von einem Gericht eines Mitgliedstaats entsprechend einem Schiedsspruch erlassenes Urteil keine Entscheidung im Sinne dieser Bestimmung darstellt, wenn eine Entscheidung, die zu einem Ergebnis führt, das dem betreffenden Schiedsspruch entspricht, von einem Gericht dieses Mitgliedstaats nicht ohne Missachtung der Bestimmungen und der grundlegenden Ziele dieser Verordnung, insbesondere der relativen Wirkung einer in einen Versicherungsvertrag aufgenommenen Schiedsklausel und der Vorschriften über die Rechtshängigkeit in Art. 27 dieser Verordnung, hätte erlassen werden können. In diesem Fall kann das betreffende Urteil in diesem Mitgliedstaat der Anerkennung einer von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats erlassenen Entscheidung nicht entgegenstehen.

2. Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 ist dahin auszulegen, dass in dem Fall, dass Art. 34 Nr. 3 dieser Verordnung auf ein Urteil entsprechend einem Schiedsspruch nicht anwendbar ist, die Anerkennung oder Vollstreckung einer Entscheidung aus einem anderen Mitgliedstaat nicht mit der Begründung versagt werden darf, dass diese Entscheidung im Widerspruch zur öffentlichen Ordnung stehe, weil sie die Rechtskraft dieses Urteils missachte.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division (Commercial Court) (Hoher Gerichtshof [England & Wales], Abteilung Queen’s Bench [Kammer für Handelssachen], Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 21. Dezember 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Dezember 2020, in dem Verfahren

London Steam-Ship Owners’ Mutual Insurance Association Limited

gegen

Kingdom of Spain

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten L. Bay Larsen, der Kammerpräsidentin K. Jürimäe, der Kammerpräsidenten C. Lycourgos, E. Regan, I. Jarukaitis und N. Jääskinen, der Richter M. Ilešič, J.-C. Bonichot, M. Safjan (Berichterstatter) und A. Kumin, der Richterin M. L. Arastey Sahún, der Richter M. Gavalec und Z. Csehi sowie der Richterin O. Spineanu-Matei,

Generalanwalt: A. M. Collins,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 31. Januar 2022,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der London Steam-Ship Owners’ Mutual Insurance Association Limited, vertreten durch A. Song und M. Volikas, Solicitors, A. Thompson und C. Tan, Barristers, sowie C. Hancock und T. de la Mare, QC,
  • der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch L. Baxter, B. Kennelly und F. Shibli als Bevollmächtigte,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller, U. Bartl und M. Hellmann als Bevollmächtigte,
  • der spanischen Regierung, vertreten durch S. Centeno Huerta, A. Gavela Llopis, S. Jiménez García und M. J. Ruiz Sánchez als Bevollmächtigte,
  • der französischen Regierung, vertreten durch A. Daniel und A.-L. Desjonquères als Bevollmächtigte,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna und S. Żyrek als Bevollmächtigte,
  • der schweizerischen Regierung, vertreten durch M. Schöll als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Ladenburger, X. Lewis und S. Noë als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. Mai 2022

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 2 Buchst. d und Art. 34 Nrn. 1 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der London Steam-Ship Owners’ Mutual Association Limited (im Folgenden: London P&I Club) und dem Kingdom of Spain (Kön...

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