Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs. Verhältnismäßigkeit. Gleichbehandlung. Transparenzgebot. Glücksspiele. Spielbanken, Spielhallen und Bingo-Lokale. Pflicht, die vorherige Zustimmung der Gemeinde des Niederlassungsorts einzuholen. Ermessen. Erhebliche Beeinträchtigung der Interessen des Staates und der Einwohner des betroffenen Verwaltungsbezirks. Rechtfertigungsgründe

 

Normenkette

EG Art. 49

 

Beteiligte

Garkalns

SIA Garkalns

Rīgas dome

 

Tenor

Art. 49 EG ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren streitigen nicht entgegensteht, die den lokalen Behörden ein weites Ermessen einräumt, indem sie es ihnen ermöglicht, eine Erlaubnis zur Eröffnung einer Spielbank, einer Spielhalle oder eines Bingo-Lokals aufgrund einer „erheblichen Beeinträchtigung der Interessen des Staates und der Einwohner des betroffenen Verwaltungsbezirks” zu versagen, sofern diese Regelung tatsächlich zum Ziel hat, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen oder die öffentliche Ordnung zu gewährleisten, und sofern das Ermessen der zuständigen Behörden auf eine transparente Weise ausgeübt wird, die eine Nachprüfung ermöglicht, ob die Genehmigungsverfahren unparteiisch durchgeführt worden sind, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Augstakas tiesas Senats (Lettland) mit Entscheidung vom 6. Dezember 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 14. September 2011, in dem Verfahren

SIA Garkalns

gegen

Rīgas dome

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Richter K. Schiemann und L. Bay Larsen sowie der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) und des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der lettischen Regierung, vertreten durch I. Kalniņš als Bevollmächtigten,
  • der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Kalniņš und I. Rogalski als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 49 EG.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der SIA Garkalns (im Folgenden: Garkalns), die ihren Sitz in Lettland hat, und dem Rīgas dome (Stadtrat von Riga), der für die Rīgas pilsētas pašvaldības (Stadt Riga in ihrer Eigenschaft als Selbstverwaltungskörperschaft, im Folgenden: Selbstverwaltungskörperschaft) handelt, wegen der Weigerung, Garkalns eine Erlaubnis zur Eröffnung einer Glücksspielstätte in einem Einkaufszentrum in Riga zu erteilen.

Rechtlicher Rahmen

Nationales Recht

Rz. 3

Art. 26 Abs. 1 des lettischen Glücksspiel- und Lotteriegesetzes (azartspēļu un izložu likums, im Folgenden: Glücksspielgesetz) sieht vor, dass zur Eröffnung einer Spielbank, einer Spielhalle oder eines Bingo-Lokals eine besondere Erlaubnis erforderlich ist. Diese Erlaubnis wird Kapitalgesellschaften erteilt, die sich im Besitz einer allgemeinen Erlaubnis zum Betreiben von Spielautomaten, Roulette-, Karten- und Würfelspielen oder Bingospielen befinden.

Rz. 4

Nach Art. 26 Abs. 2 des Glücksspielgesetzes hat der Glücksspielveranstalter zur Erlangung einer besonderen Erlaubnis zur Eröffnung einer Spielbank, einer Spielhalle oder eines Bingo-Lokals einen Antrag beim Aufsichtsamt für Lotterie und Glücksspiel (Izložu un azartspēļu uzraudzības inspekcija) zu stellen, dem verschiedene Unterlagen beizufügen sind, einschließlich einer von der zuständigen Selbstverwaltungskörperschaft ausgestellten Erlaubnis, eine solche Niederlassung zu eröffnen und dort die fraglichen Glücksspiele zu veranstalten.

Rz. 5

Art. 41 Abs. 2 des Glücksspielgesetzes untersagt die Veranstaltung von Glücksspielen:

  1. „in Behörden;
  2. in Gotteshäusern und Kultstätten;
  3. in Heil- und Bildungseinrichtungen;
  4. in Apotheken, Postämtern und Kreditinstituten;
  5. an Orten, an denen öffentliche Veranstaltungen durchgeführt werden, während deren Durchführung, mit Ausnahme der Veranstaltung von Wetten;
  6. in Bereichen, innerhalb deren nach Maßgabe des vorgesehenen Verfahrens die Veranstaltung von Märkten genehmigt worden ist;
  7. in Geschäften, kulturellen Einrichtungen, Bahnhöfen, Omnibusbahnhöfen, Flugplätzen und Häfen, mit Ausnahme von Spielhallen und Wetträumen in abgetrennten Bereichen, die allein von der Gebäude-Außenseite her durch einen separaten Eingang zugänglich sind;
  8. in Bars und Cafés, mit Ausnahme der Veranstaltung von Wetten;
  9. in Studenten-, Arbeiter- und ähnlichen Wohnheimen;
  10. in Wohngebäuden, wenn der Gebäudeeingang zugleich Zugang zu dem Glücksspiel-Lokal wäre.”

Rz. 6

Art. 42 Abs. 3 ...

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